Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

06. Dezember 2017, 18:00 Uhr

0657

Maria Lassnig*

(Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919 - 2014 Wien)

„o.T.“
1946
Öl auf Platte; gerahmt
51 x 62,5 cm
Signiert und datiert rechts unten: Lassnig 1946

Provenienz

Privatbesitz, Kärnten

Schätzpreis: € 35.000 - 70.000
Ergebnis: € 55.440 (inkl. Gebühren)

Maria Lassnig hat sich selten mit Landschaften und noch seltener mit Architektur befasst. Zu den wenigen Beispielen aus ihrem frühen Werk zählt dieses Gemälde eines Industriebaus vor einer Gebirgslandschaft. Berg und Fabrik, Natur und Artefakt, scheinen miteinander zu verschmelzen: in beiden finden sich die das Bild beherrschenden rostroten, ockergelben und blaugrünen Farbtöne – Farben, die an den von Lassnig sehr verehrten Paul Cézanne erinnern. Die Industrieanlage wirkt dadurch selbst fast wie ein Gebirge. Mit deutlich sichtbaren, expressiven Pinselstrichen trägt Lassnig die Farbe pastos auf den Malgrund – keine Leinwand, sondern eine Holzplatte – auf. Das Bild entsteht kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als sie sich ihr Arbeitsmaterial kaum leisten kann. Oft malt sie auf alte Mehlsäcke, die sie von ihrem Stiefvater, dem Klagenfurter Bäckermeister Jakob Lassnig, bekommt, oder auch – so wie hier – auf eine Platte. (Vgl. hierzu: Natalie Lettner: Maria Lassnig. Die Biografie. Wien 2017, S. 74-95)
Lassnigs expressive Gemälde der 1940er Jahre lassen ihr unvergleichliches Farbgefühl erkennen – eine Fähigkeit, die sie selbst der Tradition des Kärntner Kolorismus zuschreibt: „Ja, ich glaub‘, dass es örtlich bedingt ist, weil die Grenze zum Süden da ist, und man sieht auch mehr Farben, wahrscheinlich durch die größere Sonneneinstrahlung.“ (Kristian Sotriffer: Gespräch mit Maria Lassnig. Künstlerinnenporträts 40. Museum in Progress, Bregenz 1997, http://www. mip.at/attachments/). Zu ihren großen Vorbildern gehören der 1944 verstorbene Franz Wiegele, Anton Kolig, den sie 1946 persönlich kennenlernt, Arnold Clementschitsch, den sie ebenfalls zu ihren Freunden zählt, und nicht zuletzt Herbert Boeckl, bei dem sie in der NS-Zeit an der Akademie in Wien studiert hat. Es überrascht daher wenig, dass sich in Lassnigs Landschaftsbild Parallelen zu Boeckls Darstellungen des Ulrichsbergs bei Maria Saal von 1927 oder auch zu seinem Erzberg von 1942 finden. Gerade um 1946 ringt Lassnig um eine Abgrenzung zu Boeckl: „Boeckl ist mir so nahe gerückt, wie nie für möglich gehalten! So nahe, dass er mich seitdem bedrängt (...). Das Satte, Schwere, Dichtgedrängte der Farben. Ja, ja, sie überlagern mich.“ (Maria Lassnig: Tagebuch, 15.5.1946, Archiv der Maria Lassnig Stiftung)
Als Lassnig 1949 ihre erste Einzelausstellung in der Klagenfurter Galerie Kleinmayr präsentiert, zeigt sie ausschließlich ihre expressionistischen Arbeiten in der Tradition des Kärntner Kolorismus, obwohl sie damals bereits mit dem Spätkubismus und dem Surrealismus experimentiert. Sie stellt unter anderem auch zwei Gemälde von Industriegebäuden aus, einen Kalkofen und eine Zuckerlfabrik (Vgl.: Maria Lassnig. Ausstellung in der Galerie Kleinmayr. Text: Heimo Kuchling. Klagenfurt 1949) – vielleicht handelt es sich bei diesem Gemälde um eines davon. (Natalie Lettner)