Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

12. Mai 2015, 17:00 Uhr

0018

Egon Schiele

(Tulln 1890 - 1918 Wien)

„Sitzendes Mädchen“
1918
schwarze Kreide auf Papier
44,6 × 29 cm
Signiert und datiert rechts unten: Egon Schiele 1918

Provenienz

Galerie Würthle, Wien; Ernst Rothenbach; Fischer Fine Art, London; Galerie Welz, Salzburg; seit 1967 in österreichischem Privatbesitz

Literatur

Jane Kallir, Egon Schiele. The Complete Works, New York 1990, WV- Nr. D. 2183, Abb. S. 604

Schätzpreis: € 70.000 - 140.000
Ergebnis: € 172.800 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die wunderbare Zeichnung eines sitzenden Mädchens stammt aus dem letzten Schaffensjahr Egon Schieles, als dessen künstlerische Laufbahn in eine mehr als vielversprechende Richtung wies. Bevor er mit 28 Jahren unerwartet früh der Spanischen Grippe erlag, hatte Schiele die lang ersehnte Anerkennung in der Öffentlichkeit gefunden. Nach Gustav Klimts Tod im Februar 1918 galt er als führender Künstler Österreichs. Ein Status, der sich in der 49. Ausstellung der Wiener Secession im März des Jahres bestätigte: die Schau war Schiele und seinen Künstlerfreunden gewidmet und bedeutete für Schiele den eigentlichen Durchbruch. Er bezog ein neues, größeres Atelier, war vielbeschäftigt und künstlerisch sehr produktiv. Seine Notizbücher vermerken allein im Jahr 1918 den Besuch von 177 bezahlten Modellen. Er erhielt auch viele Porträtaufträge.

Welches kleine Mädchen dem Künstler für das vorliegende Kinderporträt Modell saß, ist leider nicht bekannt. Beeindruckend spiegelt das seit vielen Jahren in einer Privatsammlung verwahrte Blatt Schieles Fähigkeit zur psychologischen Charakterisierung wider. Schiele hatte sich zu einem sensiblen Beobachter entwickelt. Mit sicherem Strich, der keiner Korrekturen bedarf, bringt er nicht nur die äußere Erscheinungsform des entzückenden Mädchens mit kurzem lockigen Haar und hübschem Kleidchen zu Papier, sondern vermittelt vor allem auch dessen kindliches Wesen, nicht zuletzt durch die einfühlsame Gestaltung des Gesichtes. Routiniert entwirft er die räumliche Anlage: er setzt die Kleine ohne gegenständliche Verankerung ins neutrale Bildfeld und deutet die sitzende Position allein durch die plastische Modellierung der Körperform und die nach unten hängenden Beine an. Kennzeichnend für den späten Schiele sind die reich variierte Linienführung und die Betonung von detailreichen Binnenformen. Sein Streben nach plastischer Modellierung, das sich stilistisch schon seit 1915 als Ausdruck einer zunehmenden naturalistischen Tendenz entwickelt hatte, schlug sich verständlicherweise vor allem in den späten Porträts nieder. (CMG)