Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

13. Mai 2014, 17:00 Uhr

0044

Egon Schiele

(Tulln 1890 - 1918 Wien)

„Schlafendes Paar“
1909
Bleistift auf Papier
32 × 30 cm
Monogrammiert rechts unten: ES

Provenienz

Karl Hayd; Galerie Würthle, Wien (bis 1989); Galerie Clairefontaine, Luxemburg (bis 2003); Privatbesitz, Luxemburg

Literatur

Edgar Hertlein, Frühe Zeichnungen von Egon Schiele, in: Alte und Moderne Kunst, XII, 1967, Heft 95, S. 40, Abb. 18; Jane Kallir, Egon Schiele, The Complete Works, New York 1990, WV-Nr. D. 351, Abb. S. 387

Bestätigung der Galerie Würthle, Wien, vom 11. 05. 1989, liegt in Kopie bei.

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Ergebnis: € 76.800 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die bei einer ersten und nur oberflächlichen Betrachtung nicht besonders auffällige Bleistiftzeichnung ist allerdings ein schönes Beispiel für die frühe zeichnerische Meisterschaft des neunzehnjährigen Egon Schiele. „Bei dem schlafenden Paar sind nur die Köpfe zu sehen. Die Frau schmiegt sich an den Mann. Die große Decke, die beide einhüllt, setzt direkt unter den Köpfen an und bedeckt, nur im Kontur angedeutet, den größten Teil des Blattes. Die Zeichnung bringt ein Höchstmaß an zeichnerischer Vereinfachung. Aber gerade dadurch erreicht der Künstler enorme psychologische Aussagekraft“ (Hertlein, Frühe Zeichnungen, S. 38).
Nach Jane Kallir entstand die Zeichnung im Jahr 1909 und im Oeuvrekatalog ist sie mit sechs anderen in einer Gruppe von „Couples / Paare“ zusammengefaßt (D. 351 – 357), die wohl alle als Reaktionen auf Gustav Klimts Gemälde „Der Kuss“ zu interpretieren sind, das Schiele mit Sicherheit in der „Kunstschau 1908“ gesehen hat. Das Jahr 1909 war für Schiele auf seinem Weg zum eigenständigen, sich selbst verantwortlichen Künstler von großer Bedeutung: im April hat er nach drei Jahren die Wiener Akademie der bildenden Künste verlassen und mit Anton Faistauer, Rudolf Kalvach, Franz Wiegele und Anderen die „Neukunstgruppe“ gegründet, deren erste Ausstellung im Dezember dieses Jahres im Wiener Salon Pisko stattfand, und von Gustav Klimt wurde er eingeladen, sich an der „Internationalen Kunstschau 1909“ zu beteiligen. Damals ist Schiele auch mit Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte in Verbindung getreten, deren Einfluss in den für das Jahr 1909 so charakteristischen „ES“ – Signaturen zu erkennen ist (Kallir, Schiele, 1998, S. 689), von denen die auffällig stilisierte, zusammengezogene „ES“ – Signatur unserer Zeichnung ein besonders schönes und in vergleichbarer Form sonst nur noch einmal vorkommendes (siehe D. 280) Beispiel ist, das aber auch mit den vier betonenden Querstrichen und der großen rechteckigen Schlinge die Komposition der Zeichnung in einer geradezu vollkommenen Abstraktion wiederholt.
Unsere Zeichnung gehört mit sechzehn anderen, zwischen 1908 und 1909 enstandenen (D. 171, 232, 233, 251, 263, 264, 267, 299, 300, 301, 325, 326, 327, 329, 354, 355) zu jenen Blättern, die Edgar Hertlein erstmals 1967 als „Frühe Zeichnungen von Egon Schiele“ (Alte und moderne Kunst, XII, Heft 95, S. 32-41) aus dem Besitz des Malers, Graphikers und Zeichners Karl Hayd (Hainburg 1882 – 1945 Linz) veröffentlichte (siehe auch Edgar Hertlein, Der akademische Maler Karl Hayd, in: Oberösterreichische Heimatblätter, Jg. 22, 1968, Heft 1-2, S. 85). Der heute wohl nur mehr einem kleinen Kreis oberösterreichischer Kunstfreunde bekannte Karl Hayd (Allgemeines Künstlerlexikon, 70, S. 349 f) studierte 1902-06 an der Wiener Akademie bei Christian Griepenkerl, 1906-08 an der Prager Akademie und dann wieder 1908-11 in Wien bei Alois Delug. Damals wird Egon Schiele den um acht Jahre älteren Akademiekollegen Karl Hayd kennengelernt und mit ihm, wie es in der Literatur heißt, Zeichnungen getauscht haben. „Obwohl Hayd und Schiele ganz andere Wege gingen und kaum künstlerische Berührungspunkte hatten, kam es in gegenseitiger Hochschätzung zum Austausch von Zeichnungen“ (Hertlein, Karl Hayd, 1968, S. 85). Andere und auch spätere Verbindungen Egon Schieles mit Karl Hayd sind nicht nachweisbar, dessen Name in der „Egon Schiele Datenbank“ des Leopold Museums auch nicht vorkommt.
(Dr. Hansjörg Krug)