Auction House

Auction: Modern Art

23. April 2013, 6:00 pm

Object overview
Object

0052

Emil Nolde*

(Nolde 1867 - 1956 Seebüll)

„Zigeunermädchen“
1921
47 x 35 cm
Aquarell auf Japanpapier

Estimate: € 100.000 - 180.000
Result: € 262.500 (incl. fees)
Auction is closed.

Emil Nolde *
(Nolde 1867 - 1956 Seebüll)

Zigeunermädchen, 1921
47 x 35 cm; Aquarell auf Japanpapier
Signiert rechts unten: Nolde
Foto-Expertise von Prof. Dr. Manfred Reuther, Stiftung Ada und Emil Nolde Seebüll, vom 20. Dezember 2012, liegt bei.

Provenienz: Ludwig Schames, Frankfurt a. M.; Leon Schames; 1956 Boriska Schames; durch Erbschaft seit 1986 in österreichischem Privatbesitz

Literatur: vergleiche: Emil Nolde. Aquarelle und Graphik, Katalog Kunstsalon Ludwig Schames, Frankfurt a. M., April 1922, Nr. 15 ("Zigeuner-Tänzerin" o. Abb.), Nr. 19 ("Zigeunerfrau", o. Abb.), Nr. 21 ("Zigeunermädchen", o. Abb.); vergleiche auch: Emil Nolde, Zeichnungen, Aquarelle, Graphiken 1895-1924, Katalog Kunstsalon Schames, Frankfurt a. M., Februar/März 1925, Nr. 71 ("Zigeunermädchen", o. Abb.); Das vorliegende Aquarell könnte mit einem dieser in den Ausstellungskatalogen des Kunstsalon Schames aufgelisteten Darstellungen von Zigeunerinnen ident sein.

"Das umseitig wiedergegebene Aquarell mit der Darstellung eines "Zigeunermädchens" in violettem Kleid (Rückenansicht im Profil nach rechts) - Aquarellfarben auf Japanpapier, 47 x 35 cm, signiert unten rechts "Nolde." (mit Feder und schwarzer Tusche) - hat mir im Original zur Begutachtung vorgelegen. Ich bestätige, dass das Aquarell eine eigenhändige Arbeit des Malers Emil Nolde (1867 - 1956) ist; sie ist als solche in der Nolde Stiftung Seebüll registriert. Das Aquarell ist im Frühjahr 1921 während Noldes Spanienreise bei seinem Aufenthalt in Granada entstanden." (Seebüll, den 20. Dezember 2012, Prof. Dr. Manfred Reuther)

1921 verbrachte Nolde mehrere Wochen in Granada. Er malte dort Aquarelle der Zigeuner, die ihn an "die schönen Naturvölker der Südsee" erinnerten. Besonders die tanzenden Zigeunermädchen faszinierten ihn. Im vierten Band seiner Autobiografie schreibt Nolde rückblickend: "(…) Die Lage von Granada ist herrlich schön. Es waren aber wohl doch die vielen Zigeuner, die uns besonders interessierten, dreitausend sollen es sein. Sie erinnerten an die harmlos schönen Naturvölker der Südsee, entfernt und anders, und doch ähnlich in ihrer menschlich losen Ungebundenheit. Die Liebe zum Ungewöhnlichen war mir immer noch geblieben. (…) Hier waren es die braunhäutigen, schwarzhaarigen Zigeuner, mitten unter denen wir standen und ich arbeitend lebte. Ich zeichnete und malte dauernd. Ein lumpiger Junge lief und sprang voraus, mich immer meldend: 'Ein Meister ist da! Er malt ganz schnell, sehr ähnlich, und jeder Abgemalte bekommt einen Peseta!' (…) Die Gäste des Hotels kamen in ihren Autos durch die Zigeunerstraße gefahren, um auch diese gesehen zu haben, keiner jedoch wagte auszusteigen. Wir nur gingen durch alle Gässchen und hatten fast Freundschaften mit der Cilla und Maria - ihre Zigeunernamen waren Fraquito und Taguita - zwei ganz junge Mädchen. Sie kamen auch ins Hotel, und als sie sich selbst in einem großen Spiegel sahen - so hatten sie sich früher nie gesehen -, wurden sie vollständig wild. Sie tanzten rasende Tänze, und ich zeichnete eifrigst nach ihnen, um die Bewegungen zu erfassen…."
(Emil Nolde, Reisen - Ächtung - Befreiung 1919 - 1946, Köln 2002, S. 45 und 46)

In Emil Noldes Oeuvre haben die Aquarelle einen besonderen Stellenwert. Er hat sich über Jahrzente intensiv mit dieser Technik beschäftigt, ihre besondere Bildsprache erprobt und sie bis zur Perfektion weiterentwickelt. Das Japanpapier, das Nolde schon Anfang der 1910er Jahre als ein seiner Aquarellmalerei besonders entgegenkommendes Trägermaterial entdeckte, saugt die Farbe schnell auf. Nolde malte "nass in nass", um durch Übermalung farbige Akzente setzen zu können und Konturen deutlich zu betonen.
Im vorliegenden Aquarell setzt Nolde ein Zigeunermädchen in Rückenansicht nach rechts blickend in unmittelbarer Nahdistanz zum Betrachter ins Bild, ihre Figur scheint den Bildrahmen fast zu sprengen. Während ihre dunkle Haarpracht die Gesichtszüge ihres Profils weitgehend verdeckt, werden die leuchtenden Farben des Kleides, des Inkarnats und des Haarschmucks zu den primären Ausdrucksträgern des Bildes. Wirkungsvoll hebt sich das expressive Kolorit vom dunklen undefinierten Hintergrund ab. (CMG)