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Auction: Contemporary Art

17. April 2012

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0119

Arnulf Rainer*

(Baden 1929)

„Expressiv-Dynamisch-…“
1952
Wachskreide und Öl auf Karton
64,5 × 94,5 cm

Estimate: € 100.000 - 180.000
Auction is closed.

Arnulf Rainer*
(Baden 1929 geb.)

Expressiv-Dynamisch - Die Ekstase
Fettkreide und Öl auf Zeichenkarton
64,5 x 94,5 cm
1952
aus der Serie: "Versuche in der Finsternis", Blindmalerei, eine Seismografie der Gebärde,
auf der Rückseite signiert, datiert A. Rainer 52, mit "IX/9" bezeichnet
Provenienz: Ehemals Sammlung Gerhard Rühm; Galerie Klewan, München; Privatbesitz, Wien
Literatur: Otto Breicha, Wieland Schmied. TRRR 1951/52, Arnulf Rainer, 17 frühe Arbeiten, Galerie Klewan, München 1994, Nr. 14 (Abb.)

Anfang der 1950er Jahre entwickelten sich in Wien ausgeprägte spätsurrealistische Tendenzen, die später als Wiener Schule des phantastischen Realismus zusammengefasst wurden. Von diesen Tendenzen beeinflusst, schuf Arnulf Rainer intensiv verdichtete, surreale Zeichnungen, lehnte sich aber zunehmend gegen den „Art-Club“-Ästhetizismus auf. Mit Ernst Fuchs, Anton Lehmden, Arik Brauer, Wolfgang Hollegha und Josef Mikl gründete er eine eigene Gruppierung, die „Hundsgruppe“. Im März 1951 fand ihre erste (und einzige) Ausstellung statt. Obwohl auch abstrakte Arbeiten gezeigt wurden, waren die surrealistischen und phantasmagorischen Werke in der Überzahl – Rainer selbst hatte den Trennungsstrich zum Surrealismus noch nicht vollzogen.
Bei der Eröffnung kam es zu einem Skandal: Rainer, der sich damals „TRRR“ nannte (was an das Knurren eines Hundes erinnern sollte), stieg, enttäuscht von der Eröffnungsrede von Ernst Fuchs, auf eine Leiter und beschimpfte das Publikum: „Ich spucke auf Euch. Ihr mit Eurer verrotteten Kunstauffassung.“ Die Ausstellung gilt als offizieller Startschuss des Tachismus in Wien. Rainer wandte sich von der phantastischen Malerei ab und begann, mit geschlossenen Augen zu arbeiten; die so genannte Blindmalerei war geboren.

Im Sommer 1951 reiste Rainer mit Maria Lassnig nach Paris, um André Breton zu besuchen, der ihre Erwartungen allerdings schwer enttäuschte. Die beiden jungen Wiener Künstler entdeckten aber in der Galerie Nina Dausset etwas ganz Neues, das sie tief beeindruckte: l’art informel. Vor allem Wols und Hartung begeisterten Rainer, er wandte sich endgültig von seinen surrealistisch-figurativen Anfängen ab und jenen abstrakten Bildformen zu, die er als „Mikrostrukturen“ und „Atomisationen“ bezeichnete. Als sich Rainer und Lassnig nach ihrer Rückkehr aus Paris an einer Ausstellung für den Kärntner Kunstverein beteiligten, zeigte er „atomare Malerei, Blindmalerei, expression élémentaire“.

Von den „Mikrostrukturen“ gelangte Arnulf Rainer zu den „Zentralisationen“ und den „Zentral- und Vertikalgestaltungen“. Aus Materialmangel fing er an, fremde Bilder zu übermalen. Er signierte sie mit „TRRR“. Im Katalog zu einer Ausstellung in der Zimmergalerie Franck in Frankfurt am Main im März 1952, die heute als eine der ersten Manifestationen des Informel in Mitteleuropa gilt, veröffentlichte Arnulf Rainer sein Textmanifest „Malerei um die Malerei zu verlassen“. Nun begann er auch mit den „Reduktionen“, einer Werkgruppe aus strengen, monochromen Schwarzbildern mit linear-geometrisch abgegrenztem Weißrest. Diese, sowie die Serie der „Grundmalerei“, die aus monochromen, meist schwarzen Bildern mit einer samtigen, an Malgründe erinnernden Oberfläche besteht, gelten als Vorstufe zu den Übermalungen.

So enttäuscht Rainer von André Breton gewesen war, etwas dürfte er auch von ihm aus Frankreich mitgenommen haben: das sogenannte Cadavre Exquis – das, wie Breton es definierte, Spiel mit gefaltetem Papier, in dem es darum geht, eine Zeichnung durch mehrere Personen konstruieren zu lassen, ohne dass ein Mitspieler von der jeweils vorhergehenden Mitarbeit Kenntnis erlangen kann. Diese "Blindzeichnungen" führte Arnulf Rainer noch ein Stück weiter, indem er überhaupt mit geschlossenen Augen malte, um das Unbewusste, Intuitive möglichst vollständig abzurufen. Unser Bild "Expressiv-Dynamisch - Die Ekstase" gilt als eines der ersten der so entstandenen Werke. (OHR)