Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

30. Juni 2022, 17:00 Uhr

2228

Xenia Hausner*

(Wien 1951)

„Winterreise“
1996
Acryl auf Hartfaser; gerahmt
150 x 126 cm
Monogrammiert und datiert rechts unten: X.H. 96

Provenienz

1996 Galerie Heike Curtze (Berliner Kunstausstellung);
seither Privatbesitz, Deutschland

Ausstellung

Käthe Kollwitz Museum, Berlin, Xenia Hausner. Kampfzone, 3. Mai bis 26. Juni 2000;
Ernst Barlach Museum, Hamburg/Wedel, Xenia Hausner. Menschen, 2000;
Musée Würth France Erstein, Erstein, Xenia Hausner. Flagrant délit, 23. März bis 2. September 2012;
Albertina, Wien, Xenia Hausner. True Lies, 30. April bis 8. August 2021;
Puschkin Museum für bildende Kunst, Moskau, Xenia Hausner. True Lies, 27. September 2021 bis 16. Jänner 2022

Literatur

Britta Schmitz (Hg.), Xenia Hausner. Liebesfragmente, Ausstellungskatalog, Kunsthalle Wien, Museum der bildenden Künste Leipzig, Köln 1997, Abb. Nr. 38, Abb. S. 167;
Elsy Lahner/Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Xenia Hausner. True Lies, Ausstellungskatalog, Albertina Museum Wien, Wien 2020, Abb. S. 124;
Xenia Hausner, Wieland Schmied (Hg.), Kampfzone, Abb. S. 194

Schätzpreis: € 50.000 - 80.000
Ergebnis: € 111.850 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Kaum eine andere Künstlerin vermag mit Ihren Bildern derart tiefgründige Geschichten zu erzählen wie Xenia Hausner. Oft setzt sie ihre Protagonisten in bühnengleiche Szenenbilder, arrangiert sie sorgfältig, in bisweilen rätselhaften, vieldeutigen Settings, sodass die Fantasie des Betrachters herausgefordert wird. Die meist bildfüllenden Figuren sind dabei von einer „überwältigenden Präsenz und Wucht“ (Klaus Albrecht Schröder, in: Xenia Hausner. True Lies, Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 2021, S. 9).

In „Winterreise“ bleibt der Bildgrund schwarz, kein Licht dringt zu uns durch. Aus dieser allumfassenden Finsternis lösen sich zwei Figuren, die Farbigkeit ihrer Gewänder setzt Hausner gegen die unglaubliche Dominanz der sie umgebenden Dunkelheit. Eine Frau – die Künstlerin selbst – umarmt einen Mann, der uns den Rücken zugewandt hat. Es ist eine Umarmung zum Abschied. Der Mythos von Orpheus und Eurydike kommt einem in den Sinn, in dem der Sänger seine große Liebe endgültig in der ewigen Finsternis der Unterwelt zurücklassen muss. Der Mann, schon zum Gehen gewandt, nur von hinten zu sehen, hat den Kopf nach links gedreht, seine Arme hängen teilnahmslos am Körper herab. Selbst das Zeichen der tiefen Verbundenheit, das von der Umarmung ausgeht und das er nicht erwidert, vielleicht nicht erwidern kann, wird ihn nicht am Gehen hindern. Das ist der Frau im Bild wohl bewusst, sie blickt resigniert und wehmütig ins Leere. Der Titel selbst – der Assoziationen mit Franz Schuberts berühmten Liederzyklus weckt – verweist auf einen Abschied: Eine Reise steht bevor. Das diese in den Winter verortet wird, soll auch als Verweis auf die ewigen Zyklen des Lebens verstanden werden. Das Bild ist 1996 entstanden, ein Jahr, nach dem Tod des Vaters der Künstlerin, Rudolf Hausner, und gerade in dieser Zeit setzt sich die Künstlerin verstärkt mit dem Thema des Todes und des Abschiednehmens auseinander.

(Sophie Cieslar)