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Karl Prantl*
(Pöttsching 1923 - 2010 Pöttsching)
„Litanei“
1966
Mühldorfer Marmor, grau-weiß
100 x 45 x 21 cm
Monogrammiert und datiert: K.P. 66
Provenienz
beim Künstler erworben;
seither Privatbesitz, Deutschland
Ausstellung
1967, Staempfli Gallery, New York;
1977, Suzanne Fischer, Baden-Baden;
1981, Frankfurter Kunstverein
Literatur
Alexander Winter, Der Steinbildhauer Karl Prantl, Werkkatalog 1950-2000. Dissertation, München 2008, Abb. S. 111, Kat. Nr.: WK 83.
Schätzpreis: € 25.000 - 45.000
Meistbot: € 55.000
Auktion ist beendet.
Im Falle Prantls sind es vor allem die Arbeiten Constantin Brancusis und Henry Moores, die ihn prägen, wobei er das Gegenständliche hinter sich lässt. Wie kaum bei einem anderen Bildhauer reichen seine Arbeiten ins Philosophische und Religiöse hinein. Dabei ist von Anfang an Stein sein bevorzugtes Medium.
Prantl fordert dazu auf, „Die Sprache der Steine mit dem Thema der Theologie der Steine zu ergänzen“ (Karl Prantl, Steine 1978-1980, Ausstellungskatalog, Erker-Galerie, St. Gallen 1980, S. 7). Der Stein als Zeuge der Urzeit, in der er entstanden ist, spricht zu uns. Der Künstler erspürt diese Sprache, erfühlt uralte Strukturen, verstärkt diese und macht sie uns wieder zugänglich. So wie Theologen die Theologie als „Gottes Rede zu den Menschen“ interpretieren und in weiterer Folge als Suche nach dem Guten und Wahren, denn Sinn und Zweck der gesamten Existenz, so haben für Karl Prantl Steine diese uralten Wahrheiten in sich.
In diesem Sinne ist auch der Titel „Litanei“ zu interpretieren, den der Künstler dem Block Mühldorfer oder Wachauer Marmor mit seinen welligen Graphiteinlagerungen gegeben hat. Sensibel spürt Prantl die Strukturen des Steines auf, er folgt den Adern, hebt diese durch Vertiefungen hervor, rundet sanft die Kanten und poliert den Marmor zu einer sanft glänzenden Oberfläche. Wie Perlenschnüre aneinandergereiht folgen die vom Künstler angelegten Mulden in einem geheimnisvollen Rhythmus dem Verlauf der Gesteinsadern. Die Wiederholung des gewählten Formenkanons als Antwort auf die Sprache und Eigenart dieses Steins, assoziiert der Künstler mit einer Litanei, bei der die Gläubigen im gemeinschaftlichen Gebet dem Vorbeter mit einem gleichbleibenden Ruf antworten. Der meditative Charakter, der sich durch die Wiederholung ergibt, soll zusätzlich im haptischen Erleben vertieft werden. Diese sogenannten Steine zur Meditation sind ein wesentlicher Bestandteil des Schaffens Karl Prantls. „Der tiefen Wirkung, die von den taktilen wie von den visuellen, aus Farbe, Körnung und Oberfläche resultierenden Werten der Steine ausgeht, kann man sich schwerlich entziehen, so areligiös man auch sein mag. Prantls Steine sind Lebewesen, die zu uns sprechen“ und die uns von einer unglaublichen Aura umgeben, augenblicklich in einen „Andachtsraum“ (Klaus Albrecht Schröder, Karl Prantl – Die Sprache der Steine, Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 2015, S. 4 f.) versetzen.
(Sophie Cieslar)