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Auktion: Zeitgenössische Kunst

06. Dezember 2017, 18:00 Uhr

Objektübersicht
Objekt

0679

Maria Lassnig*

(Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919 - 2014 Wien)

„Blick auf New York aus dem Atelier der Künstlerin“
1976
Öl auf Leinwand; gerahmt
110 x 124 cm
Signiert und datiert rechts unten: M. Lassnig 1976

Provenienz

Privatbesitz, Wien

Schätzpreis: € 120.000 - 240.000
Ergebnis: € 157.700 (inkl. Gebühren)

Von 1968 bis 1980 lebt Maria Lassnig in New York. Zu den zahlreichen neuen Erfahrungen in der Kunsthauptstadt der Welt gehören für sie die Wolkenkratzer, die sie in einem Brief an ihre Klagenfurter Freunde begeistert als „innen und außen sehenswert“ schildert (Brief an Heide u. Ernst Hildebrand, 30.11.1968, Archiv Galerie Hildebrand). In einigen Aquarellen und nur ganz wenigen Ölbildern hält Lassnig diese für sie so faszinierende urbane Landschaft fest. Das berühmteste darunter ist ihr Gemälde Woman Power von 1979, auf dem sie sich selbst als eine Mischung aus Superwoman und King Kong darstellt, die durch die miniaturhaften Schluchten der Metropole schreitet – „ein bisschen ein Sinnbild des Feminismus“, wie Lassnig selbst einmal meint (Maria Lassnig 1996. In: Ernst Grandits: Maria Lassnig. Farbgefühle. ORF A 2009. Vgl. dazu auch: Natalie Lettner: Maria Lassnig. Die Biografie. Wien 2017, S. 212-220 u. 256-258)
Von diesem feministischen Geist lässt sich auch in diesem Porträt, Blick auf New York aus dem Atelier der Künstlerin, etwas spüren. Die dargestellte Karin Rudolph scheint mächtig und selbstbewusst über der Stadt zu schweben, so als gehöre sie ihr. Es bleibt völlig unklar, wo sie sitzt. Es geht Lassnig hier nicht um Realismus, sondern um ein ausdrucksstarkes Porträt. Genauso wenig realistisch ist der Blick aus dem Atelier. Lassnig hat in New York an den unterschiedlichsten Standorten gewohnt, unter anderem in Queens, im East Village und in Soho. Von ihrem Loft in Soho, Ecke Spring Street /Broadway, wo sie von 1974–78 lebt, hat sie zwar eine gute Sicht bis zu den Wolkenkratzern von Downtown, allerdings nicht von einem derart hohen Blickwinkel, wie ihn dieses Gemälde suggeriert. Es ist also kein wirklichkeitsgetreuer, sondern ein idealtypischer Blick auf die Stadtlandschaft von Lower Manhattan. Lassnig verbindet die Porträtierte, das Häusermeer, den Hudson und den Himmel zu einer Einheit. Es dominieren helle Blau- und Grüntöne, nur das Patchwork-Mieder des Kleides in der typischen Mode der 1970er Jahre hebt sich mit kräftigeren Farben und einigen wenigen rötlichen Stoffflecken von der luftigen Umgebung ab. Einige weitere dunkle Pinselstriche setzt Lassnig, um die im Schatten liegenden Fassaden der Hochhäuser zu akzentuieren. Die Künstlerin hat in ihrer New Yorker Zeit auch Einflüsse der Pop Art aufgenommen, diese aber – so wie hier – auf ihre ganz eigene unverkennbare Weise und mit einer einzigartigen Farbgebung umgesetzt. (Text: Natalie Lettner)

Erinnerungen der Portraitierten:

„1975 war im bankrotten New York ein riesen großes 3 Bedroom-Apartment auf der Upper East Side im 31. Stock für unter 1000 Dollar zu mieten. Maria Lassnig, die ich 1975 über Helga Philipp kennenlernte, hatte sich für eine alternative Wohnform entschieden. Sie bewohnte zu diesem Zeitraum ein Loft in Soho am West Broadway Ecke Spring Street. Wir freundeten uns an und waren beide von der jeweils anderen Lebensform fasziniert.

Maria war sehr beeindruckt von der Höhe und den Aussichten im 31. Stock, zumal der Blick vom Esstisch nach Süden bis zum gerade vollendeten World Trade Center ging. Das Chrysler und Empire State Building waren auch noch im Blickwinkel zu sehen. Nach Westen schaute man auf die verschnörkelten alten Gebäude der Park Avenue aus rotbraunen Backsteinen. Davor befanden sich die in den sechziger Jahren gebauten Hochhäuser aus weiß gebrannten Ziegeln und hinter all den Häuserfronten und dem Grün des Central Parks konnte man den Hudson River ahnen. Besonders spektakulär waren die Sonnenuntergänge im Westen. Maria bat mich, meinen Esstisch benutzen zu dürfen, um Aquarelle von diesen Aussichten zu malen.

Der Blick gen Westen hatte es ihr angetan als sie mich portraitierte. Das Portrait entstand im Herbst 1976 nach ganz bestimmten Regeln: Sitzungstermine waren nur Samstags, da ich ja berufstätig war, und die Zeit wurde auf 12 bis 14 Uhr festgelegt, weil die Sonne da in einem besonderen Winkel in das total weiß gestrichene Loft einfiel.
Als ich 1994 nach Wien umzog, habe ich das Portrait mitgenommen.“