Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

21. Juni 2017, 18:00 Uhr

0846

Franz West*

(Wien 1947 - 2012 Wien)

„o.T.“
1976
Lack auf Zeitungspapier (Die Presse); ungerahmt
56,5 × 74,5 cm
Rückseitig signiert und datiert: F West 76

Provenienz

direkt vom Künstler erworben;
Privatbesitz Dr. Marian Gomulka;
um 2000 an den jetzigen Besitzer übergeben

Schätzpreis: € 10.000 - 20.000
Ergebnis: € 23.760 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Franz West beginnt seine künstlerische Tätigkeit 1970 zunächst autodidaktisch. Erst 1977 mit dreißig Jahren schreibt er sich an der Akademie der bildenden Künste in Wien in die Klasse von Bruno Gironcoli ein, die er bis 1982 besucht. Die 1976 – also noch vor der Akademiezeit – entstandene Arbeit gehört in eine Werkgruppe von übermalten Zeitungsseiten und Illustrierten, die großteils auch durch collagierte Elemente erweitert wurden. In dieser Zeit setzt er sich auch mit der Kunst Piero Manzonis und Lucio Fontanas auseinander. Manzonis „Manifesto bianco“, in dem dieser eine Synthese von Malerei, Bildhauerei, Musik und Dichtung sowie die Abkehr von herkömmlichen Materialien fordert, kann durchaus als Inspirationsquelle in dieser experimentellen Phase gedient haben. Neben den Collagen aus Papier, Stoff oder Abbruchmaterialien spielt auch die Monochromie eine wesentliche Rolle, die sich auch in weiterer Folge durch das gesamte Werk Wests ziehen wird.

„Manchmal offenbart sich in der Widersinnigkeit der geschaffenen Bildräume die Einfallslosigkeit von Werbebotschaften“ schreibt der Künstler in seinem „ABC“ (Text zur: Retrospektive. Franz West. Autotheater, Universalmuseum Joanneum, Graz 2010/2011) und man kann das umlegen auf die gefühlte Irrelevanz jeglicher Nachrichten. Die komplette Übermalung der Zeitungsseite mit rotem Lack tilgt jeglichen darin enthaltenen Informationswert. Nur schemenhaft kann man durch die Farbschicht Textblöcke und Fotografien ausmachen. Die Schrift wird aus dem Kontext gerissen und durch die komplette Übermalung sinnentleert. Man kann darüber sinnieren, wie sinnhaft die Botschaften waren, als sie noch lesbar waren, und wie schnell tagespolitische Nachrichten an Aktualität und somit Relevanz verlieren. Diesen Schritt in die Bedeutungslosigkeit hat Franz West beschleunigt und gleichzeitig eine weitere gedankliche Ebene geöffnet. Parallel schafft er einen abstrakten Bildraum, dessen Tiefenwirkung diffus ist. „Ich versuche wirklich, einen Raum als eine horizontale Fläche zu sehen,… ich versuche also eine Fläche zu finden, eine Fläche zu kreieren – eine erträgliche Fläche…“ so der Künstler (Johannes Schlebrügge, Ines Turian (Hg.), Franz West. Gesammelte Gespräche und Interviews, Köln 2005, S. 60). Im gleichmäßigen Farbauftrag entsteht eine bewusst inszenierte Desorientierung.

Längst zählt Franz West auch international zu den ganz Großen der zeitgenössischen Kunst. Bereits 1997 hatte er eine Einzelausstellung im New Yorker Museum of Modern Art und die Tate Modern in London zeigt seine Arbeiten in ihrer Dauerausstellung an prominenter Stelle. Er darf somit zu den bedeutendsten österreichischen Gegenwartskünstlern gezählt werden. Auch heuer auf der Biennale in Venedig ist in der Hauptausstellung „Viva Arte Viva“ Franz West als einziger Österreicher vertreten. (Sophie Cieslar)