Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

08. Juni 2016, 18:00 Uhr

0963

Maria Lassnig*

(Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919 - 2014 Wien)

„Der Bauch von Calabrien“
1986
Aquarell auf Papier; gerahmt
42,5 × 60,5 cm
Signiert und datiert rechts unten: M. Lassnig 86
Rückseitig bezeichnet am Blatt: 694 "Der Bauch von Calabrien"

Provenienz

österreichische Privatsammlung

Das vorliegende Blatt wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis von Maria Lassnig aufgenommen.

Schätzpreis: € 10.000 - 20.000
Ergebnis: € 26.400 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

„Ich trete gleichsam nackt vor die Leinwand, ohne Absicht, ohne Planung, ohne Modell, ohne Fotografie und lasse es entstehen. Doch ich habe einen Ausgangspunkt, der aus der Erkenntnis entstanden ist, dass das einzig Reale meine Gefühle sind, die sich innerhalb des Körpergehäuses abspielen: physiologischer Natur, Druckgefühle beim Sitzen und Liegen, Spannungs- und räumliche Ausdehnungsgefühle – ziemlich schwierig darstellbare Dinge.“ (Hans-Ulrich Obrist (Hg.), Maria Lassnig. Die Feder ist die Schwester des Pinsels. Tagebücher 1943 – 1997, Köln 2000, S. 74) Hier bezieht sich Maria Lassnig auf die „Body-Awareness“, einen Begriff der untrennbar mit Ihrem Werk verbunden ist.

Maria Lassnig gehört zu den auch international anerkannten wichtigsten und bedeutendsten KünstlerInnen Österreichs. Sie hat „ein weites, unbekanntes Terrain (geöffnet), wie es vergleichsweise nur wenige Künstler selbst zu Beginn der Moderne betreten haben.“ (Wolfgang Drechsler, in: Maria Lassnig - Retrospektive, Museum Moderne Kunst Stiftung Ludwig/Museum des 20. Jahrhunderts, Wien 1999, S. 9)

Die ersten „Körperbewusstseins-Zeichnungen“ finden sich bereits im Frühwerk der Künstlerin. „Die introspektiven Erlebnisse von 1949 waren bereits ‚body awareness’-Zeichnungen, die ersten Selbstdarstellungen einer Innenschau, die ich seither nicht verlassen habe, sei die Periode informell, abstrakt oder teilweise realistisch.“ (Maria Lassnig. Zeichnungen, Ausstellungskatalog, Albertina, Wien 1977, o.S.) Das Prinzip der „Body-Awareness“ ist also unabhängig von der stilistischen Ausprägung, es geht schon früh um die Darstellung von Empfindungen, der Körper soll gleichsam von innen gefühlt gemalt werden.

Der radikale Blickwinkel der Darstellung setzt den Betrachter in eine Personalunion mit der dargestellten Figur. Man sieht einen Körper in jenem Blickwinkel, in dem man ihn auch sehen würde, wenn man selbst an sich hinunterblicken würde. Kopf und Hals sind nicht zu sehen, die Aktdarstellung setzt bei der Brustpartie an und wandert über den verkürzt dargestellten Körper zu den Beinen. Der Betrachter soll also hier die Rolle der Künstlerin in ihrer Körperwahrnehmung übernehmen. Dabei geht es nie um die realistische Wiedergabe eines Körpers. „Ich zeichne nicht den ‚Gegenstands’ Körper…, sondern ich male Empfindungen vom Körper.“ (Maria Lassnig - Retrospektive, Museum Moderne Kunst Stiftung Ludwig/Museum des 20. Jahrhunderts, Wien 1999, S. 86) Es geht immer um die subjektive Empfindung, die sich auch in der Farbwahl niederschlägt. Kälte, Wärme, Druck, Schmerz, Krankheit drücken sich in den bewusst gewählten Tönen und Nuancierungen aus, was vor allem in der Aquarellmalerei subtil zum Tragen kommt. (Sophie Cieslar)