Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

24. November 2015, 16:00 Uhr

0019

Rudolf Wacker

(Bregenz 1893 - 1939 Bregenz)

„Stilleben mit Würfel“
1930
Öl auf Sperrholz
45 × 34 cm
Signiert links oben: R. Wacker
Datiert rechts oben: 30
Rückseitig eigenhändig bezeichnet: B 34 H 45 / Rudolf Wacker / Bregenz, 1930 / "Stilleben mit Würfel"
Originalrahmen

Provenienz

vom Vater des jetzigen Eigentümers wohl aus dem Nachlass des Künstlers erworben, seither in Besitz der Familie (Privatbesitz, Frankreich)

Ausstellung

1933 St. Gallen, Museum

Literatur

Max Haller, Rudolf Wacker 1893 - 1939, Biografie mit dem Oeuvre-Katalog des malerischen Werkes, Lustenau 1971, WV-Nr. 174 (sw-Abb.)

Ein Originalfoto des Bildes befindet sich im Bestand des Franz-Michael-Felder-Archivs der Vorarlberger Landesbibliothek / Vorarlberger Literaturarchiv. Wir danken Dr. Jürgen Thaler für die freundlichen Hinweise.

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Auktion ist beendet.

Auf Wackers "Stilleben mit Würfel" steht eine rostbraune nackte Gummipuppe starr auf einem würfelförmigen Marmorpodest mit nach unten gestreckten Armen und offenen, nach außen weisenden Handflächen. Ihr einziges Gegenüber ist eine exotische Topfpflanze. Mit viel Mut zur Lücke präsentiert Wacker seine beiden Gegenstände auf einer kahlen grauen Tischplatte in einem schmucklosen Bildraum, der zu zwei Drittel von der schwarzen Leere des Hintergrundes bestimmt wird. Gerade die Sparsamkeit der Bildmittel lenkt das Augenmerk auf die symbolische Aussagekraft, die vom Betrachter entschlüsselt werden muss. Nur scheinbar zusammenhanglos nebeneinander platziert, korrespondieren die beiden Akteure des Stillebens vielschichtig miteinander. So hat die Gegenüberstellung von phallusartiger Topfpflanze und weiblicher nackter Puppe nicht nur eine deutliche erotische Konnotation, sie zeigt auch Wackers Sensibilität für Formanalogien: einprägsam führt er die Nähe und Verwandtschaft aller Dinge vor Augen, indem er auffallende formale Parallelen zwischen Pflanze und Puppe zieht.
Puppen bilden in Rudolf Wackers Oeuvre ein Hauptmotiv. Er sah in ihnen gleichnishafte Stellvertreter des Menschen, Ausdrucksformen einer verdinglichten und entfremdeten modernen Lebenswelt: "Ich liebe sie so, weil sie so lebendig und wie Symbole sind! (…) Sie bleiben bei genauerem Zusehen beziehungslos, jede bleibt in sich selbst verschlossen, ist im Grunde nur mit sich beschäftigt (…) So sind diese Puppen ein Gleichnis."(Rudolf Wacker, Tagebuchnotiz, Sept. 1923, Vgl. R. Sagmeister, Rudolf Wacker. Tagebücher, S. 416)
Die Besonderheit der exotischen Topfpflanze schildert Wacker akribisch bis ins kleinste Detail. Hier spiegeln sich die tiefe Beziehung des Malers zu Pflanzen und sein ausgeprägtes Interesse für die Naturwissenschaften wider. Gleichzeitig ist das pflanzliche Gedeihen und Verwelken eine starke Metapher für das Werden und Vergehen allen Lebens, ein Vanitas-Motiv im Sinne der kunstgeschichtlichen Tradition: zwei Blätter des Pflanzentriebes hängen verdorrt nach unten, andere verlieren an den Rändern ihre grüne Farbe.
Symbole der Vergänglichkeit gewannen in Wackers Stillleben ab den dreißiger Jahren an Bedeutung. Für das Leiden unter der wirtschaftlichen Krise dieser Jahre und der sich schmerzlich zuspitzenden politischen Lage hat er in der tiefen Symbolik seiner Bilder eine zeitlose, ewiggültige Ausdrucksform gefunden. (CMG)