Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

26. November 2015, 15:00 Uhr

0892

Arnulf Rainer*

(Baden 1929)

„Atomisation“
1951
Öl auf Holz
54,5 × 36,5 cm
Bezeichnet links unten: TRRR
Datiert rechts unten: 1951

Provenienz

Sammlung Josef Mikl (1929-2008); Gemäldegalerie Kovacek, Spiegelgasse, Wien; seither europäische Privatsammlung

Ausstellung

Austellungen: Art Club Ausstellung Strohkoffer, Dezember 1951; Anfänge des Informel in Österreich 1949 bis 1953, Museum des 20. Jahrhunderts, Wien 1971, KatlNr. 151;
Kunsthalle Krems, Mythos Art Club, Der Aufbruch nach 1945, Krems 2003

Literatur

Kunsthalle Krems, Mythos Art Club, Der Aufbruch nach 1945, Krems 2003, Abb. S. 117 (Ausstellungskatalog)

Schätzpreis: € 100.000 - 200.000
Ergebnis: € 197.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

„Für mich war das Informelle immer ein Zustand wo alles möglich ist, aber doch nichts ausgeprägt ist, das heißt ein Zustand der Possibilität“ (A. Rainer in: Otto Breicha, Anfänge des Informel in Österreich 1949 - 1954, Graz 1997, S142)

Bei Arnulf Rainer vollzog sich die Abkehr vom figürlichen Surrealismus hin zu einer abstrakten informellen Ausdrucksweise mit großer Vehemenz. Im Jahr 1951 finden wichtige Veränderungen und ein Neubeginn in seiner künstlerischen Entwicklung statt. Ausgehend von surrealistischen Arbeiten entstehen feinnervige Mikrobilder die sich durch permanente Überarbeitung immer mehr verdichten und in einer schwarzen Fläche auflösen. Im Sommer 1951 reiste Rainer gemeinsam mit Maria Lassnig nach Paris, um sich vom Surrealismus neu inspirieren zu lassen. Die Kunstwerke, die beide dort wirklich beeindruckten, waren die in der Galerie Nina Dausset unter dem Titel „Lyrische Expression“ gezeigten Arbeiten von Hans Hartung, Jackson Pollock, George Mathieu, Willem de Kooning und anderen internationalen Künstlern. Im Herbst 1951 in einer Gemeinschaftsausstellung im Kunsthaus Klagenfurt setzte Rainer dann den Nullpunkt für seine künstlerische Ausdrucksform. Leere Bilderrahmen auf einer weißen Wand als Zeichen für das Ende der herkömmlichen Malerei und in weiterer Folge findet er einen Neubeginn mit Blindzeichnungen, Zentralisationen, Vertikalgestaltungen und Atomisationen.

Das vorliegende Gemälde „Atomisation“ aus 1951 ist eines von nur drei bekannten gleichnamigen Arbeiten. (Diese beiden sind abgebildet in: Otto Breicha, Anfänge des Informel in Österreich 1949 - 1954, Graz 1997, S149 und H. Zambo u.a. Hg., abgrundtiefe . perspektiefe, Ausst.Kat. Kunsthalle Krems, Wien 1997, S69)

Eine abstrakte lyrische Komposition in einer ungewöhnlichen Buntheit auf einer weiß grundierten Pressspannplatte - so charakterisiert sich diese Arbeit. Schwarz ist hier die unterste Farbschicht. Strahlendes Gelb, Rot und Blau kleinteilig und punktförmig aufgetragen bildet ein dichtes Netz aus Farbflecken welche sich zum Rand hin in lockeren Strukturen auflösen. Es scheint als ob eine Explosion Linien und Flächen in kleine Teilchen zersplittert hätte. Bei der großen malerischer Qualität dieser Arbeit hebt Rainer trotzdem durch ein Zerkratzen der Oberfläche seinen Willen zur Zerstörung hervor. Im Vergleich zu Jackson Pollock, der ab 1947 seine Drip-Paintings entwickelte, werden unterschiedliche Auffassungen sehr schnell deutlich. Im Gegensatz zu den ästhetisch stilisierten Drippings behält Rainer eine aggressive Spannung und Konzentration in seinen Atomisationen. Pollock malte rhythmisch durch die Bewegung seines ganzen Körpers und lässt sich in einen unendlichen Bildraum treiben. Rainer inszenierte in Distanz zur Leinwand eine energetische Malerei und bündelte diese in einem Zentrum. Pollock stand mit seinen Drip-Paintings bereits am Ende seiner Entwicklung, für Rainer hingegen waren seine kleinteiligen Mikrozeichnungen und Atomisationen eine Möglichkeit sich aus dem gegenständlichen Surrealismus zu befreien. Die Geste, die Linie und das Zeichen losgelöst von der Form wurden zum neuen Instrument Rainers.
Allein dieser Vergleich beweist wie zeitlich nah Arnulf Rainer in seinem Kunstschaffen der internationalen Kunstentwicklung war. Auch wenn diese Ausdrucksform nur eine kleine Position in seiner künstlerischen Entwicklung bedeutet, ist sie wesentlich für seinen weiteren eigenständigen Weg. Erst nach der intensiven Auseinandersetzung mit der Geste des Informell, mit dem abstrakten Expressionismus, mit Proportionsstudien und Reduktionen entwickelte Rainer ab 1955 das „Übermalen“. Die Atomisationen sind bemerkenswerte Zeichen für eine kurze aber gezielte und intensive Konfrontation mit dem Informellen. (Christa Armann)