Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

06. Oktober 2015, 14:00 Uhr

0406

Maria Lassnig*

(Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919 - 2014 Wien)

„Frau vor einem Esel knieend“
1996
Aquarell auf Bütten
48 × 65,5 cm
Signiert, datiert und bezeichnet rechts unten: M Lassnig, Frau vor einem Esel knieend, 1996, Santorin

Provenienz

österreichische Privatsammlung

Schätzpreis: € 15.000 - 30.000
Ergebnis: € 44.880 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Im Laufe der 1970er Jahre, als dem menschlichen Körper in Performance-Kunst und Happening vermehrt Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird, etabliert sich Maria Lassnigs autobiographische „Körpergefühlsmalerei“. Mit ihrem undogmatischen Standpunkt lässt sich Lassnigs Malerei mit der Körperkunst Louise Bourgeois´, Francis Bacons oder Kiki Smiths vergleichen, welche die Seins-Grenzen und ihre Konstituierung untersuchen. Der eigene Körper ist für Lassnig Wahrnehmungsinstrument und Forschungsgegenstand zugleich, weniger aber sozialer Funktionsträger oder Medium des Protests gegen traditionelle Strukturen.
Ihre radikale Selbstbefragung in den „body-awareness-paintings“ bleibt jedoch nicht auf den eigenen Körper beschränkt. Sie schließt seit den 1970er Jahren verstärkt Elemente der Außenwelt mit ein. Tiere, Roboter- und Monster-ähnliche Kreaturen, Alltagsobjekte und technisches Gerät dienen der Wahrnehmung der eigenen Bewusstseinswelt als Unterstützung. Werden in den ersten Selbstporträt-Serien mit Tieren jene wie Trophäen vorgezeigt oder in Metamorphosen mit der menschlichen Körpermasse eins, so erscheint in den 1980er und 1990er Jahren das Tier auch als Symbol und Erfahrungskörper des Kreatürlichen, dem Selbst als fremdes und verwandtes Gegenüber gleichermaßen, und nicht zuletzt auch als Alter-Ego.
Im vorliegenden Aquarell kniet ein introspektiver, blockhaft-abstrahierter weiblicher Körper vor einem naturnah wiedergegebenen Esel. In kauernder Haltung – ein „Befindlichkeitsbild“, das Lassnig in ihren Arbeiten wiederholt einsetzt – ordnet sich die menschliche Kreatur dem Tier unter, wohingegen der „Innenwelt-Körper“ sich förmlich mit der Landschaft verbindet und mit ihr identifiziert.
In dieser ungewöhnlichen, in der Alltagswelt verankerten Konstellation, drückt sich Lassnigs Sinn für das Absurde ebenso aus wie ihre Achtung vor der Natur. So grotesk die Szene am Strand sich darbietet, Maria Lassnig formuliert sie unaufgeregt und lyrisch, mittels einer lockeren, offenen Pinselführung. Die griechische Insellandschaft gliedert sich in waagrechte Bahnen, die in ihren exotischen gelb-braunen und rot-blauen Farbtönen das mediterrane Licht spürbar werden lassen. Eine abendliche, friedliche Ruhe umgibt das Paar, das sich freundschaftlich einander zuwendend beobachtet.

Lassnigs Erfahrungen auf Reisen nach Griechenland, Zypern und Ägypten, die 1980 mit ihrer Berufung an die Hochschule für Angewandte Kunst in Wien ihren Anfang nehmen, fließen in zahlreiche vor Ort geschaffene Aquarelle ein. Mit ihren Reisen erweitert Lassnig den Aktionsradius ihres Körpers und somit auch die Körperempfindung in Richtung Außenwelt. Das Körpergefühl manifestiert sich in jeder Umgebung und als Teil eines „größeren Ganzen“. (Isabell Kneidinger)
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1Vgl. hierzu Silke Andrea Schuemmer, „Das bewohnte Körpergehäuse. Maria Lassnigs Werk vor dem Hintergrund des postmodernen Körperdiskurses“, in: Ingrid Humpl (Hrsg.) „Maria Lassnig. Body-Fiction-Nature“ , Ausst. Kat. Sammlung Essl, Klosterneuburg, 2005, S. 135
2Vgl. Hierzu Wolfgang Drechsler „Die Innere Verbindung von Maler und Malerei“, in: Wolfgang Drechsler (Hrsg.) „Maria Lassnig. Das neunte Jahrzehnt“, Ausst. Kat. Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig 20er Haus, Wien, 1999, S. 29.