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Auktion: Alte Meister

24. Juni 2014, 18:00 Uhr

Objektübersicht
Objekt

0524

Bernardo Bellotto Umkreis

(Venedig 1720 - 1780 Warschau)

„Der Canal Grande nach Osten mit Blick auf die Kirche Santa Maria della Salute“
Öl auf Leinwand
63,5 × 98,5 cm
Rückseitig auf Keilrahmen Prägestempel des Restaurators Francis Leedham, London: F. Leedham / Liner

Provenienz


Provenienz:
Mitte des 19. Jahrhunderts englische Privatsammlung (um 1850 restauriert von Francis Leedham, London);
spätestens seit den 1920er Jahren bis 1935 Sammlung Otto Hirsch (1874–1935), Frankfurt a. M.;
unmittelbar nach Otto Hirschs Tod im Jahre 1935 von dessen Erben nach Amsterdam exportiert und von dort an die
Haberstock Art Gallery, London, verkauft;
1937 erworben von der Galerie Karl Haberstock, Berlin und weiterveräußert an das Führermuseum (Linz);
1937-1945 Privatsammlung Adolf Hitlers im sogenannten „Berghof“ am Obersalzberg/ Deutschland;
in den 1960er Jahren vom Vater des gegenwärtigen Eigentümers im Wiener Kunsthandel gekauft;
seither österreichisches Privateigentum

Ausstellung


Ausstellung:
Meisterwerke alter Malerei aus Privatbesitz, Städel Museum, Frankfurt, Sommer 1925

Literatur


Literatur:
G. Swarzenski (Hg.), Ausstellung von Meisterwerken alter Malerei aus Privatbesitz, Sommer 1925, Zweite Veröffentlichung des
Staedelschen Kunstinstituts, Frankfurt am Main 1926, S. 13, Nr. 39, Tafel. XC (als Antonio Canal);
Katalog der Privat-Gallerie Adolf Hitlers, Nr. 10;
Meisterwerke der Malerei A.H., Alte Meister (gemäß Birgit Schwarz, 2011, S. 339);
Stefan Kozakiewicz, Bernardo Bellotto, Recklinghausen 1972, Bd. I., S. 66; Bd. II, S. 13, Nr. 8 (Abb., als Bernardo Bellotto
„Mitarbeit eines anderen Künstlers in der Werkstatt Canals ist nicht ausgeschlossen“);
W.G. Constable, Canaletto. Giovanni Antonio Canal, 1697–1768, London 1962 (und nachfolgende Ausgaben bearbeitet von
J.G. Links), Bd. II, Nr. 180(b)4 (als „School version“ von Nr. 180);
J.W. Goodison, G.H. Robertson, Fitzwilliam Museum Cambridge Catalogue of Paintings, Bd. II, Italian Schools, Cambridge
1967, S. 14, unter Nr. 186, Anm. 2;
Hundert Bilder aus der Galerie Haberstock Berlin, München 1967, Nr. 63, mit Abb. (als Antonio Canal);
Matthias Bleyl, Bernardo Bellotto genannt Canaletto. Zeichnungen aus dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt, Darmstadt
1981, S. 29, unter Nr. 19;
B.A. Kowalczyk, in: Splendori del Settecento Veneziano, Museo del Settecento Veneziano – Ca’ Rezzonico, Ausstellungskatalog,
Gallerie dell’Accademia and Palazzo Mocenigo, Venice 1995, S. 443, unter Nr. 163 (als Bernardo Bellotto);
B.A. Kowalczyk, Il Bellotto veneziano: “grande intendimento ricercasi”, in: Arte Veneta, 48, 1996, S. 83 (als Bernardo Bellotto)
B.A. Kowalczyk, Il Bellotto italiano (unpublizierte Doktorarbeit an der Universita’ degli Studi di Venezia, 1996), Nr. 26 und
unter Nr. 18 und 35 (als Bernardo Bellotto);
J.G. Links, A Supplement to W.G. Constable’s Canaletto: Giovanni Antonio Canal 1697–1768, London 1998, S. 19, Abb. 254
(als Bernardo Bellotto);
B.A. Kowalczyk in: Bernardo Bellotto, Ausstellungkatalog, Museo Correr, Venice, Museum of Fine Arts, Houston 2001, S. 66
(als Bernardo Bellotto);
Horst Keßler, Karl Haberstock – Umstrittener Kunsthändler und Mäzen, Deutscher Kunstverlag, München 2008, S. 269, 281;
Abb. 1847, S. 297 (als Canaletto);
Charles Beddington, in: Venice. Canaletto and his Rivals, Ausstellungskatalog, National Gallery, London and National Gallery
of Art, Washington 2010–2011, S. 53, Anm. 44 (als Bernardo Bellotto);
Birgit Schwarz, Geniewahn: Hitler und die Kunst, Wien u.a. 2011, S. 163ff., Abb. 59 (als Bernardo Bellotto)

Schätzpreis: € 150.000 - 300.000
Ergebnis: € 537.600 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die „bewegte“ Vergangenheit dieses außergewöhnlichen Kunstwerkes zeigt uns, dass es 1935 bis etwa 1965 auf bisweilen nicht ganz geklärte Weise seine Eigentümer gewechselt hat. Der gegenwärtige Besitzer – unser Einbringer – ist jedenfalls, wie schon sein Vater, rechtmäßiger Eigentümer.

In der Vergangenheit vielfach publiziert, wurde dieses seit mehr als 50 Jahren in einer österreichischen Privatsammlung befindliche Gemälde erst kürzlich wieder entdeckt und konnte nun erstmals seit Jahrzehnten untersucht und veröffentlicht werden. Wurde das Gemälde in den ersten Publikationen – wie z. B. im Katalog der Ausstellung im Frankfurter Städel Museum von 1925 – als eigenhändiges Werk Antonio Canals, genannt Canaletto, bezeichnet, beurteilte W. G. Constable das vorliegende Gemälde 1962 als Schulvariante („school version“) von dem damals Canaletto zugeordneten Werk mit derselben Ansicht, welches sich heute im J. Paul Getty Museum, Malibu/ Los Angeles befindet (W.G. Constable, op. Cit., 1962, II, no. 180). Dieses Gemälde gilt jedoch seit kurz nach dem Ankauf durch das Getty-Museum 1991 als Werk Bernardo Bellottos, entstanden Anfang der 1740er Jahre in der Werkstatt seines Onkels, Antonio Canal. So verwundert es auch nicht, dass Stefan Kozakiewicz das vorliegende Werk bereits 1972 ebenfalls als ein im Atelier Canalettos ausgeführtes Frühwerk Bernardo Bellottos anerkannt hatte. Mit dieser Zuschreibung an Bernardo Bellotto wurde das Gemälde schließlich dann später immer publiziert.
Wie groß die Herausforderungen in der Zuordnung bei den im Umkreis Canalettos ausgeführten Versionen eines Motivs in der Vergangenheit waren, zeigt ein weiteres, 1995 versteigertes Gemälde mit derselben Ansicht des „Canal Grande mit Santa Maria della Salute“ (Christie’s New York, 11. Januar 1995, Nr. 25). Immer als Canaletto publiziert, konnte es schließlich doch als Frühwerk Bernardo Bellottos zugeordnet werden, entstanden um 1742 in der Werkstatt seines Onkels und Lehrers (Abb. 1). Dieses Beispiel ist charakteristisch für die Schwierigkeit und auch für die in der Fachliteratur wechselnden Zuordnungen zwischen Canaletto, seiner Werkstatt und seiner Schule. Verwirrungen über die Autorschaft einzelner Gemälde gab es bereits im 18. Jahrhundert, wie Bellottos erster Biograph, Pietro Guarienti, schon im Jahre 1753 beschrieb: „Seine Szenen von Venedig waren so sorgfältig und so realistisch gemacht, dass es äußerst schwierig war, seine Arbeit von der seines Onkel zu unterscheiden (PA Orlandi, Abecedario Pittorico, Corretto E accresciuto da P. Guarienti 1753, S. 101).

Antonio Canal führte eine erfolgreiche Werkstatt, in welche auch sein Neffe Bernardo Bellotto als Schüler und Mitarbeiter um 1735 eintrat und bis zu seinem Ruf 1747 an den Dresdner Hof Augusts III, König von Polen und Sachsen verblieb. Die Mitglieder des florierenden Werkstattbetriebs Canalettos, aber auch andere zeitgenössisches Künstler in Venedig, von denen teilweise angenommen wird, dass sie ehemalige Mitarbeiter in Canalettos Werkstatt waren, schufen vor allem stimmungsvolle Venedig-Ansichten für den Verkauf an ausländische Kunden (vgl. Beddington 2010-11, S. 42-46). Besonders die Reisenden auf der „Grand Tour“ konnten sich so eine Erinnerung an die Stimmung und an das Leben in der Lagunenstadt mit in ihre Heimat nehmen. Erfolgreiche Kompositionen, wie die Vorliegende, wurden für die meist englischen Kunden auch in mehreren Versionen und Kopien wiederholt. Ein Beweis, dass sich vorliegendes Gemälde im 19. Jahrhundert wohl ebenso in England befunden hatte, bietet der auf der Rückseite des Keilrahmens eingeprägte Stempel von Francis Leedham. Er war um die Mitte des 19. Jahrhunderts einer der führenden Restauratoren in London und arbeitete sowohl für die National Gallery als auch für berühmte Privatsammlungen (vgl. British picture restorers, 1630-1950, 1st edition, March 2009).

Der Blick auf den „Canal Grande nach Osten mit Santa Maria della Salute“ war in den 1740er Jahren eine besonders beliebte Komposition. Heute gilt das Werk derselben Ansicht im Fitzwilliam Museum, Cambridge, als einzig bekannte Ausführung des Sujets von Canaletto (Abb. 3). Seinem Neffen Bernardo Bellotto werden jedoch neben einer Zeichnung im Hessischen Landesmuseum (Abb. 2) heute mehrere weitere – wohl im Atelier Canalettos entstandene – Ölversionen des Sujets zugeordnet: So beispielsweise die bereits oben erwähnten Werke im Getty-Museum und das 1995 versteigerte Gemälde, sowie eine weitere Fassung im Fitzwilliam Museum. Stefan Kozakiewicz schloss bereits in seinem Werkverzeichnis zu Bernardo Bellotto sowohl bei dem Werk im Fitzwilliam-Museum als auch bei vorliegendem Gemälde die Mitarbeit eines anderen Künstler der Canaletto-Werkstatt nicht aus (vgl. S. Kozakiewicz, op. Cit., II, Nr. 7 & 8).

Der unbestreitbare Reiz und der seit dem 18. Jahrhundert demenstprechend große Erfolg dieser Komposition liegen wohl damals wie heute vor allem in der äußerst gekonnten Wahl des Bildausschnittes, welcher dem Betrachter eine Vielzahl der venezianischen Sehenswürdigkeiten auf einen Blick zeigt: Der Canal Grande mit Blick auf die Kirche S. Maria della Salute und dem Bacino di S. Marco; links im Vordergrund der Campo S. Maria Zobenigo mit dem Palazzo Pisona-Gritti; gegenüber der malerische Prospekt unterschiedlicher Hausfassaden, überragt vom oberen Teil der Kirche S. Gregorio; schließlich noch das Seminario Patriarcale, die Dogana mit dem Campanile sowie die Kuppel von S. Giorgio Maggiore; in der Ferne die Riva degli Schiavoni. Neben dem Bildausschnitt besticht in hohem Maße die durch Canaletto geprägte Farbgebung. Die in warmen Ocker-, Weiß- und
Rosétönen gehaltene Architektur nimmt die einzigartige mit Licht, Luft und Wasser durchflutete Atmosphäre Venedigs in sich auf. Über den Dächern der Stadt ein blauer, mit zarten weißen Wolken durchzogener Himmel; darunter das Wasser des Canal Grandes, das in den verschiedensten Grüntönen, von Smaragd- bis Türkisgrün, glitzernd und durch eine Vielzahl von Gondeln bewegt, die Lebensader der Lagunenstadt darstellt. Sowohl auf dem Wasser als auch an Land wird das Gemälde durch zahlreiche Staffagefiguren belebt. Hierin ist Bellottos Werk im Fitzwilliam Museum mit der großformatigen Version im Getty Museum vergleichbar. Vorliegendes Gemälde entspricht – bis auf kleine Unterschiede der Staffage im Hintergrund – dem 1995 versteigerten Gemälde Bernardo Bellottos.