Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

13. Mai 2014, 17:00 Uhr

0115

Gottfried Helnwein*

(Wien 1948)

„The Disasters of War 6“
2007
Öl, Acryl auf Leinwand
200 × 272 cm
Rückseitig signiert und datiert: G. Helnwein 2007

Provenienz

Privatsammlung, Niederösterreich

Schätzpreis: € 60.000 - 120.000
Auktion ist beendet.

Ein kleines Mädchen steht blutüberströmt mit abgewandtem Gesicht vor uns. Sein Kopf ist mit einer Elastikbinde mehrfach umwickelt, die Bandage zieht sich über seine Augen, legt sich um Ohren und Hals. Dunkles Blut quillt aus dem Verband und rinnt über seinen Nacken und die Schultern. Auch die Hände des Kindes, das ein unschuldig-weißes Kleid trägt, sind blutverschmiert. Sie hängen am schmalen Körper herunter, sind von der Bildkante abgeschnitten. Halten sie noch den Gegenstand, der vielleicht diese Verletzungen und Blutungen erklären könnte?

Seit 2007 arbeitet Gottfried Helnwein an der Serie „Disasters of War“, mittlerweile sind über 30 großformatige Bilder, Mischtechnik in Öl und Acryl, entstanden. Protagonisten dieser Serie sind Mädchen im Volksschulalter. Die Kinder tragen meist weiße Kleidung, oft auch große (weiße oder schwarze) Uniformjacken und haben Maschinengewehre oder -pistolen in der Hand. Sie werden mit Mangas und anderen Spielfiguren in einer surrealen Begegnung in einem dunklen, leeren Zimmer inszeniert, in das, wie durch einen schmalen Türspalt, Licht fällt. In „Disasters of War 6“ steht im Hintergrund dieses unrealen Raums eine Mangafigur in knapper blauer Uniform, mit Handschellen an einen Straßenmast gefesselt. Der Pony des hellblauen Pagenkopfs verdeckt das Gesicht der jungen Frau, ihre aufreizende Pose lässt an eine Bondage-Fantasie denken.

Helnwein ist seit den 70-Jahren für seine verstörenden, hyperrealistisch gemalten Bilder mit verletzten, bandagierten, gequälten Menschen bekannt. Meist wird Kindern Gewalt angetan. In „Disasters of War“ sind die Mädchen Opfer und Täter zugleich. "Niemand hat je hinterfragt, warum in Amerika eines Tages Kinder begonnen haben in der Schule andere Kinder mit Maschinenpistolen niederzumähen. Und inzwischen haben wir uns daran gewöhnt. Kinder, die Massenmorde an Kindern begehen, das hat es in der gesamten Geschichte der Menschheit noch niemals gegeben. Das ist neu.“ (Gottfried Helnwein)

Der 65-jährige Künstler hält unserer Gesellschaft, die durch Killer-Computergames und den militärischen Einsatz von Drohnen in fernen Ländern eine unpersönliche, distanzierte Einstellung zum Töten entwickelt hat, den Spiegel vor. 1985 verlässt der gebürtige Wiener seine Heimat und geht zuerst nach Deutschland, dann nach Irland. Heute lebt Helnwein abwechselnd in Los Angeles und Irland. „Gewalt und Unterdrückung sind Themen, die mich seit meiner frühen Kindheit beschäftigen und mich bis in meine Träume verfolgen. Kunst ist das einzige Gegenmittel gegen die destruktiven Kräfte und den Wahnsinn dieser Welt“, erzählt er in einem Zeitungsinterview mit Andrea Schurian anlässlich seiner großen, aufsehenerregenden Retrospektive in der Wiener Albertina 2013. (Karla Starecek)