Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

20. November 2007

0415

Maria Lassnig

(Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919 - 2014 Wien)

„Mit einem Tiger schlafen“
1975
Öl auf Leinwand
106,5 x 127 cm
Signiert und datiert rückseitig: Maria Lassnig 1975

Ausstellung

Ausgestellt: 1999: Musée des Beaux Arts, Nantes; 1987: Face a Face, Europalia-Ausstellung, Palais des Beaux Arts, Brüssel; 1986: Eva und die Zukunft. Das Bild der Frau seit der Französischen Revolution, Hamburger Kunsthalle, Hamburg; 1985: Maria Lassnig, Museum moderner Kunst/Museum des 20. Jahrhunderts, Wien; Kunstmuseum Düsseldorf, Düsseldorf; Kunsthalle Nürnberg, Nürnberg; Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt; 1980: 39. Biennale di Venezia, Venedig; 1975: Galerie Ulysses, Wien/New York

Literatur

Literatur: Face a Face, Katalog der Europalia-Ausstellung im Palais des Beaux Arts, Brüssel, 1987, Abb. S. 135; Eva und die Zukunft. Das Bild der Frau seit der Französischen Revolution, Ausstellungskatalog der Hamburger Kunsthalle, Hamburg, 1986, Abb. S. 142; Wolfgang Drechsler. Peter Gorsen, Maria Lassnig, Ausstellungskatalog des Museums moderner Kunst/Museum des 20. Jahrhunderts, Wien, 17. Jänner bis 3. März 1985, Kunstmuseum Düsseldorf, Kunsthalle Nürnberg, Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt, Ritter Verlag, Klagenfurt, 1985, Abb. S. 86; Peter Gorsen. Gislind Nabokowski. Helke Sander, Frauen in der Kunst, Suhrkamp, Frankfurt/Main, 1980, Abb. Nr. 9, S. 43; Hans Hollein. Werner Hofmann, 39. Biennale di Venezia, Ausstellungskatalog, Venedig, 1980, Abb. S. 17; Ausstellungskatalog der Galerie Ulysses, Wien/New York, 1975, Abb. S. 42

Schätzpreis: € 100.000 - 180.000
Ergebnis: € 301.169 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Maria Lassnig
(Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919 geb.)
"Mit einem Tiger schlafen"

Provenienz: Österreichischer Privatbesitz

Seit Jahrzehnten gilt Maria Lassnig als die wichtigste zeitgenössische Malerin Österreichs. Seit längerem ist auch ihr Rang in der europäischen Szene gefestigt. Ihr Status als Kultfigur, den sie zumindest in Insiderkreisen besitzt, verdankt die - aus Kärnten stammende und in Wien lebende - Künstlerin nicht zuletzt dem Umstand, dass sie sich rar macht, ihrer Skepsis gegenüber Moden und Zeitgeist, allem voran jedoch der Folgerichtigkeit, Herbheit und Spröde eines Oeuvres, das sich nicht leicht vereinnahmen läßt.
Ausschlaggebend für den Rang der bedeutenden Malerin ist die Konsequenz und Eindringlichkeit einer ebenso selbst- wie gesellschaftskritischen Entwicklung, die im wesentlichen auf Malerei und Animationsfilm (Lassnigs Zeichentrickfilme von 1970 bis 1975) konzentriert ist.
Im Kontext zu feministischen Bestrebungen der 1960er und 1970er Jahre hat Maria Lassnig keine laute oder agitationsanfällige politische Position bezogen, sondern eine umso nachhaltigere, rein künstlerische Intensität, die stets graduell weiterentwickelte Stilistik, aber auch die spezifische Farbigkeit ihrer Bilder entsprechen jener grundlegenden Privat- und Introvertiertheit, die für Maria Lassnig bezeichnend ist.
Mit der von Werner Hofmann vorgenommenen Präsentation der Werke Lassnigs auf der Biennale Venedig 1980 erlangte ihr Oeuvre - nicht zuletzt auch im Rückblick auf die frühen Zeichnungen - internationale Aufmerksamkeit. Als einen der Höhepunkte ihrer damals aktuellen Malerei zeigten Ausstellung und Katalog des 1975 geschaffenen Gemäldes "Mit einem Tiger schlafen". Es zählt in seiner formalen Eindringlichkeit und inneren Erregtheit zu den Inkunabeln der jüngeren Kunstgeschichte in Österreich. Angelpunkte der Thematik Lassnigs sind Körperbewußtsein (body awareness) und Körpererfahrung, das differenzierte Beziehungsgeflecht zwischen Mann und Frau, aber auch bestimmte Wechselwirkungen von Mensch und Tier, deren Relevanz durch die Bilder Lassnigs so etwas wie einen Modernisierungsschub erhielt. "Der Mensch, der seine Körpererfahrung metaphorisch auf das Tier ausdehnt und sie mit ihm teilen will, schickt seine Einbildungskraft insgeheim auf Partnersuche." Man kann diesen Satz Werner Hofmanns im Katalog zur Biennale direkt auf unser Gemälde beziehen, dessen körpersprachliche Wunscherfahrung in einer von Bedrohung nicht freien Zuneigung liegt.
Formal ist das Bild mit stupender Sicherheit gemalt und poetisch verdichtet. Wie sich die Dargestellte in der Pose der erwartungsvollen Frau dem kraftvollen Tiger hingibt, zeigt eine klare, großzügige Bildsprache übersetzt, deren malerische Feinheiten in zurückhaltender Farbigkeit, wie hinter einem Dunstschleier einfühlsam bestimmt und austariert sind. Die formale Präsenz der viel ausgestellten und publizierten Arbeit (siehe oben) verbindet sich mit angespannter Emotionalität und Körperbezogenheit. Sie unterstreicht darin auf nachdrückliche Weise die daseinsbestimmte Ambivalenz von Wirklichkeit und Traum.
(Peter Baum)