Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

19. Juni 2007

0345

Maria Lassnig

(Kappel am Krappfeld/Kärnten 1919 - 2014 Wien)

„Samson,“
1983
Öl auf Leinwand
200 x 133 cm

Literatur


Literatur: Maria Lassnig, Katalog Museum moderner Kunst / Museum des 20. Jahrhunderts, Ritter Verlag, Klagenfurt 1985, Abb. S. 130; Christa Murken, Maria Lassnig, Ihr Leben und ihr malerisches Werk. Ihre kunstgeschichtliche Stellung in der Malerei des 20. Jahrhunderts, Herzogenrath 1990, Abb. 3, S. 21, Wkvznr. 364, S. 472; Ingo F. Walther (Hg.), Kunst des 20. Jahrhunderts, Band I, Malerei, Taschen Verlag, 2005 (2.Aufl.), Abb. S. 379

Schätzpreis: € 100.000 - 180.000
Ergebnis: € 262.500 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Eine Reihe von Maria Lassnigs mythologischen Bildern nehmen 'prophetische' Bedeutung an. In dem hier präsentierten Gemälde versucht etwa ein weiblich travestierter 'Samson' vergeblich (?) den Untergang der Welt aufzuhalten, die ihn in der symbolischen Gestalt eines zerberstenden Tempelgebälks zu vernichten droht.

"In den fast immer vertikalen Gestaltverlauf von unterdrückender Engung und befreiender Weitung bringt die Künstlerin ihr gesamtes Figurenrepertoire unter. Man findet sowohl liegende, zusammengekauert hockende, sitzende wie sich aufrichtende, stehende, manchmal schreitende Körper, die - und dies ist eine Folge der introspektiven Körperbewußtheit - einen Niederschlag des zwischen lust- und unlustbetonten Erlebnissen, zwischen depressiv gedrückten und manisch aufgeheiterten Stimmungen schwankenden Körpergefühls darstellen. Dem negativen und unlustbetonten Stimmungswert, den schlechten Gefühlen, nähern sich mehr oder weniger alle Bilder, die eine körperliche 'Aufhockung' oder 'Dressur' ausdrücken, einen von Lasten niedergedrückten und in der oberen Bildhälfte von meist symbolischen Gewichten bedrohten Menschenkörper darstellen. (...) Die Bedrohung komme stets von oben, meint die Künstlerin, was in der hierarchischen, subsumierenden Ordnung ihrer Formen seinen Ausdruck findet. (...)
Entscheidend für Lassnigs porträthafte Verkörperung weiblicher Identität ist, daß sie diese doppelsinnig als Unterdrücktheit und Stärke darstellt. (...) Maria Lassnig hat das künstlerische Erbe der heroischen Frau angetreten und weitergepflegt. Ihre titanischen Säulenmenschen, das inkorporierte Selbstbewußtsein und Gegenbild zum deprimierten Torso mit abgebrochenen Gliedmaßen (beides existiert in ihrer Formwelt neben- und gegeneinander), sind im Gegensatz zum barocken Atlanten keine überanstrengten Athleten und strapazierten Gladiatoren, sie sind nicht hoffnungslos, sondern sie biegen und winden sich ohne sichtbare Gewalt nach oben, ein Ausdruck ebenso schrankenloser Belastung wie Belastbarkeit, weiblicher Ohnmacht wie des Triumphes weiblicher Stärke und Unbeugsamkeit."
(Peter Gorsen, in: Maria Lassnig, Katalog Ritter Verlag, S. 143f.)