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Martha Jungwirth*
(Wien 1940)
„Motiv vom venezianischen Fischmarkt“
1983
Aquarell auf Papier; gerahmt
148 x 99 cm
Signiert und datiert links unten: Martha Jungwirth, Venedig 83
Provenienz
österreichischer Privatbesitz
Schätzpreis: € 25.000 - 50.000
Meistbot: € 30.000
Auktion ist beendet.
Martha Jungwirth zählt zu den bedeutendsten Künstler:innen der österreichischen Gegenwartskunst. Die 1940 in Wien geborene Malerin und Grafikerin studierte von 1956 bis 1963 an der Angewandten, wo sie selbst von 1967 bis 1977 lehrte. In den Sechzigern und Siebzigern bildete sie mit Wolfgang Herzig, Kurt Kocherscheidt, Peter Pongratz, Franz Ringel und Robert Zeppel-Sperl die Gruppe „Wirklichkeiten“. 1977 wurde sie zur documenta 6 in Kassel eingeladen. Jungwirths Werke kreisen zwischen Abstraktion und Konkret, Ausdruck und Farbe, Automatismus und Assoziation. Ihre Arbeiten verdichten sich, dann bleiben sie wieder offen, der Künstlerin widerstrebt es das große Ganze zu betrachten. Entwürfe macht sie keine, ihre Bilder entstehen aus dem künstlerischen Akt heraus. Es geht um den Moment, um das Hier und Jetzt. Damit steht sie in der Tradition des Informel und des Abstrakten Expressionismus, die im spontanen Gestus ihren Gefühlen und Emotionen in der Kunst freien Lauf ließen.
„Meine Kunst ist wie ein Tagebuch, seismografisch. Das ist die Methode meiner Arbeit. Ich bin dabei ganz auf mich bezogen. Zeichnung und Malerei sind Bewegung, die durch mich durchgeht. Durch meine Wahrnehmung und Gestik wird es etwas anderes. Das Bild ist ein intelligentes Fleckengefüge, nichts Festgefahrenes. Es geht um das Fluide, Durchsichtige, Offene. Dabei interessiert mich gerade nicht das Edle, sondern das Schleißige, Nichtgeschönte, Unzensierte.“ (Antonia Hoerschelmann, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Martha Jungwirth, Ausst. Kat. Albertina, Wien 02.03.–03.06.2018, S. 44)
Jungwirth hat eine ausgeprägte Leidenschaft für Reisen und Aquarellmalerei. Beides verbindet sie zu einer künstlerischen Synthese. Das zeigt sich auch im „Motiv vom venezianischen Fischmarkt“ aus dem Jahr 1983. Das Spiel mit der Farbe und dem Wasser lässt die Künstlerin in eine andere Welt eintauchen. Im spontanen, energiegeladenen Pinselduktus zeigt Jungwirth ihre ganz eigene Sicht der Wirklichkeit und Realität. Wild, expressiv und explosiv geht sie dabei an die Sache heran. Aus einem Gemisch aus Linien und Farbflecken verdichtet sie den Bildraum und lässt gleichzeitig leere Flächen frei. Damit schafft die Künstlerin Assoziationsräume, die zum spontanen Nachdenken anregen. Es ist das poetische Protokoll eines sensiblen Seismografen. Nicht ungewöhnlich ist dabei das Großformat – viele von Jungwirths Zeichnungen messen an die knapp zwei Meter, was ihnen Monumentalität und Größe verleiht.
(Stefan Üner)