2007
Marc Chagall*
(Witebsk 1889 - 1985 Saint-Paul de Vence)
„Le nu sur le bouquet“
1978
Ölkreide, Gouache, Tusche, Bleistift, feiner Stoff, Papier collé auf Papier
28,7 x 22,7 cm
Signiert rechts unten: Chagall
Rückseitig bezeichnet: Le nu sur le bouquet D 2256
Provenienz
aus dem Nachlass des Künstlers (Nr. D 2256);
Galerie Salis, Salzburg;
dort 1993 erworben, seither österreichischer Privatbesitz
Zertifikat von David Mac Neil, Sohn des Künstlers, Paris, 24.10.1986, mit Nachlass-Stempel (Succession Marc Chagall) und Nr. D 2256, liegt bei.
Schätzpreis: € 60.000 - 120.000
Meistbot: € 80.000
Auktion ist beendet.
Im Spätwerk von Marc Chagall entfernt sich der Künstler allmählich von der jüdisch-orthodoxen Tradition und der russischen Folklore. Motive aus dem christlichen Glauben, der griechischen Mythologie, aber auch Wahrnehmungen aus dem täglichen Leben werden aufgegriffen. Jedoch bleibt in seinem Werk noch immer die Verbindung zwischen Traum und Wirklichkeit und das Sichtbarmachen von Unsichtbarem bestehen. Auch bedient er sich in der im Jahr 1978 ausgeführten Arbeit mit dem Titel „Le nu sur le bouquet“ jener beiden Bildthemen, die in Marc Chagalls Oeuvre eine wesentliche und immer wiederkehrende Rolle spielen, nämlich das Liebespaar und ein prachtvoller Strauß von Blumen.
In dieser zauberhaften Szene im Innenraum einer Wohnung nimmt der üppige Blumenstrauß in der Vase, die auf dem Tisch steht, dominant und zentral den Bildraum ein. Die Frau ist gebettet auf der Blütenpracht. Ihr Körper nimmt in seiner Biegung die runde Form des Bouquets auf. Mit der rechten Hand und den überschlagenen Beinen scheint sie ihre Nacktheit verbergen zu wollen. Ihr Kopf ruht auf dem linken Arm. Der Mann tritt vom linken Bildrand in das Zimmer ein. Er ist wohl gerade erst gekommen und hält noch seinen Hut in der Hand. Das Fenster im linken oberen Bildbereich erlaubt einen Ausblick hinaus in den sonnigen Tag.
Mit der Tusche erzeugt der Künstler im Blumenstrauß ein lebendiges Durcheinander der dicht aneinandergedrängten Blüten, setzt Schraffuren im Raum und schafft klare Konturen der Figuren. Auch und gerade in seinem Spätwerk ist Marc Chagalls meisterhafter Umgang mit der Farbe deutlich. Besonders die floralen Motive bieten Chagall eine schöne Gelegenheit, Tonwerte mit viel Gefühl zu modellieren und harmonische Farbkontraste herzustellen. Im Bouquet setzt der Künstler auch mit einer Collage auf dem Strauß farbliche Akzente.
In den letzten Lebensjahrzehnten hat Chagall sein unstetes Leben mit dem häuslichen Glück eingetauscht. Er bezieht 1950 ein Haus in Saint-Jean-Cap-Ferrat und heiratet seine zweite Frau, die Russin Valentina Brodsky, die ihn künstlerisch sehr positiv beeinflusste. Er feierte bis zuletzt große Ausstellungserfolge und genoss weitreichende Popularität und wird aus gutem Grund als einer der wichtigsten Vertreter der modernen Kunst angesehen.
(Sophie Höfer)