Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

04. März 2020, 14:00 Uhr

0059

Albin Egger-Lienz

(Stribach bei Lienz 1868 - 1926 St. Justina bei Bozen)

„Schnitter“
um 1920/22
Öl auf Karton
65 x 55 cm
Signiert rechts unten: Egger Lienz
Rückseitig Studie

Provenienz

vom Großvater des jetzigen Eigentümers wohl direkt beim Künstler erworben;
seither in Familienbesitz, Privatbesitz Bozen

Gutachten von Dr. Carl Kraus, Aldrans, 17.12.2019, liegt bei.

Schätzpreis: € 120.000 - 200.000
Ergebnis: € 194.560 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

"Das gegenständliche, von mir im Original begutachtete Gemälde 'Schnitter' stellt ein eigenhändiges, charakteristisches Werk des führenden Tiroler Malers seiner Zeit Albin Egger-Lienz (Stribach bei Lienz 1868 - St. Justina bei Bozen 1926) dar, entstanden als späte Variante seines populären Motivs der 'Bergmäher'. Auf der Rückseite des Malkartons findet sich eine Beinstudie, wohl zu seinem Monumentalgemälde 'Den Namenlosen' 1914 (1916).

Scheinbar ohne Kraftanstrengung holt der Bauer mit der Sense aus um im nächsten Moment das hochstehende Korn in perfektem Schwung niederzumähen. Unzählige Male hat er diese Tätigkeit schon ausgeübt, nach dem Pflügen und Säen im Frühjahr nun das Einholen der Ernte im Hochsommer, damit seine Familie sicher über die kargen Wintermonate kommt. Es ist der Jahresrhythmus, wie er und seine Vorfahren ihn seit Generationen unverändert kennen.

Mit der archaischen Handlung korrespondiert die strenge, auf das Wesentliche konzentrierte formale Gestaltung. Die Figur ist leicht aus der Bildmitte gerückt, nimmt aber fast die gesamte Höhe ein und hebt sich wirkungsvoll vom hellen Hintergrund des Korns und Himmels ab. Licht und Schatten verleihen ihr eine prägnante Plastizität, die Hose und der Hut in warmen Brauntönen, das Hemd in leuchtendem Weiß. Detailliert modelliert, ziehen das unter dem Hut markant hervortretende Gesicht und die kräftigen bäuerlichen Hände unsere besondere Aufmerksamkeit auf sich.

So ist in dem Bild nichts dem Zufall überlassen, vielmehr stellt es bei aller malerischen Form ein genau kalkuliertes Konzentrat dar, geprägt vom monumentalen Prinzip und der Suche nach einer zeitlosen symbolhaften Aussage: „Ich glaube“, so Egger-Lienz in einem Brief an seinen späteren Biografen Heinrich Hammer 1909, „daß dem tieferen Kenner auch in meinen Bildern wie Mäher, Mittagessen, Weihwasser nehmender Bauer, Die Scheune, der dramatische Zug, die Konzentrierung des Gedankens, die Monumentalität deutlich vor Augen liegen.“

Mit diesem Credo fügt sich der Maler in ein für die Zeit typisches Kunstwollen ein, wie es u. a. auch sein Schweizer Antipode Ferdinand Hodler oder der belgische Bildhauer Constantin Meunier vertreten. Diese beiden Künstler griffen ebenfalls das Sujet des Mähens auf (Hodler, Der Mäher, um 1910; Meunier, Der Mäher, 1892). Hingewiesen sei auch auf das berühmte Schablonenspritztechnikblatt Mäher des Wiener Jungendstilkünstlers Ludwig Heinrich Jungnickel (1903).

Die Erstfassung der 'Bergmäher' (Leopold Museum, Wien) schuf Egger-Lienz bereits 1907. In der Folge variierte und wiederholte er das Motiv vielfach, um es 1918 als 'Schnitter' mit tief im Korn stehenden Figuren (Erstfassung mit drei Figuren, ebenso Leopold Museum) neu zu interpretieren. Das gegenständliche Gemälde zeigt die mittlere Figur der Komposition, eine Variante, von der zusätzlich noch drei Öl- und zwei Aquarellfassungen bekannt sind (Kirschl M 454, M 455, M 456, Z 445, Z 560). Der vorliegende 'Schnitter' stellt dabei eine repräsentative, besonders ausgewogene Fassung dar." (Gutachten von Dr. Carl Kraus)