Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

04. Dezember 2019, 16:00 Uhr

0595

Helmut Leherb*

(Wien 1933 - 1997 Wien)

„Die Krönung“
um 1990
Öl auf Leinwand; gerahmt
102 x 108 cm mit Originalrahmen: 131,5 x 138,5 cm
Signiert rechts unten: Leherb

Provenienz

direkt vom Künstler erworben;
seither Privatbesitz, Wien

Schätzpreis: € 25.000 - 45.000
Ergebnis: € 33.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Helmut Leherb, der zu den frühen Protagonisten der Wiener Schule des Phantastischen Realismus gezählt wird, wendet sich in Folge und verstärkt mit seiner Übersiedlung nach Paris 1964 immer mehr dem Surrealismus französischer und belgischer Prägung zu. Seine allegorisch aufgeladenen Bildthemen erinnern an Max Ernst, René Magritte, Paul Delvaux und Salvador Dali. Wie Letzterer trägt er einen gezwirbelten Bart, dessen Spitzen aber nach unten gedreht sind. Er nennt sich fortan „Maître Leherb“ und inszeniert sich gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Lotte Profohs, öffentlich als exzentrisches Künstler- und Liebespaar.

Die „Uniformität ist die Bahre der Phantasie“, sagt Leherb in einem Fernsehinterview (https://www.youtube.com/watch?v=z5xMcOTGRxI, zugegriffen am 29.8.2019). Er beklagt den Mangel an Fantasielosigkeit und das kritiklose Gleichgeschaltetsein der meisten Menschen. So spielt eine grenzenlose Fantasie und ein Hang zu einem gewissen Mystizismus nicht nur in seiner Lebensphilosophie sondern auch in seinem malerischen Werk eine große Rolle.

Seine Frau Lotte Profohs, die oft als Modell Einzug in die Bildwelten des Malers findet, sitzt als geheimnisvolles, halb durchscheinendes Wesen in ätherischem Blau auf einer Ikone der Designkunst, dem Willow Chair. Diesen hat Charles Rennie Mackintosh 1904 für den „Willow Tea Room“ in Glasgow entworfen. Der Stuhl gehört auch heute noch zu den handwerklich anspruchsvollsten Möbelklassikern, für dessen Herstellung nur die erfahrensten Handwerker eingesetzt werden: gleichsam die Krönung der Tischlerkunst, die erste Assoziation mit dem Bildtitel. Dass der Mensch oft als Krönung der Schöpfung bezeichnet wird und hier die vom Künstler verehrte Frau in diese Rolle schlüpft, kann als weitere Interpretation des Bildtitels herangezogen werden. Mit der Farbgebung und jenen Körperpartien, an denen das markante Muster der Stuhllehne durchschimmert, rückt Leherb die Figur in einen irrealen Bildraum. Trotz der naturalistischen Gestaltung ist sie ein Wesen aus einer anderen Welt, ein Trug- oder Traumbild, das hier in legerer Pose auf dem Stuhl Platz genommen hat. Der strenge Gesichtsausdruck in akkurater Profilansicht mit der Haarpracht, die wehend aber in der Bewegung eingefroren scheint, steht im Gegensatz zur komplett entspannten Sitzposition. Ist die Figur vollplastisch gemalt, so kontrastiert Leherb das mit einer kaum dreidimensionalen, eher in die Fläche gekippten Räumlichkeit des Stuhles, dessen geometrische Musterung im ebenfalls vom Künstler gestalteten Rahmen aufgenommen wird. Ein ähnliches Motiv verwendet Leherb auch in einer der großen Fayencen, die er 1980 bis 1992 für die Wirtschaftsuniversität Wien gestaltet hat. Das dem Kontinent Australien gewidmete Mosaik zeigt ein Aborigine-Mädchen auf dem Willow Chair – Sinnbild des Glaubens der englischen Siedler an ihre zivilisatorische Überlegenheit – hinter dem zwei weitere Frauenfiguren, eine davon mit gesprengten Ketten, vor den Kata Tjuta – einem rituell bedeutenden Ort in der Nähe des Uluru (Ayers Rock) – stehen. (Sophie Cieslar)