Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

18. Juni 2019, 15:00 Uhr

0997

Stephan Balkenhol*

(Fritzlar 1957)

„o.T., 2 Holzfiguren“
um 1990
Holz, bemalt
je H. 29 cm

Provenienz

österreichischer Privatbesitz

Literatur

Landesgalerie am Oberösterreichischen Landesmuseum (Hg.), Aus der Sammlung Riedl: Skulpturen und Plastiken. Linz 2002, Abb. S. 27.

Schätzpreis: € 25.000 - 35.000
Ergebnis: € 33.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die beiden Figuren des deutschen Künstlers Stephan Balkenhol sind Entwürfe für das nie realisierte Projekt „Kunstmeile Gürtel“ zur Förderung von Kunst im öffentlichen Raum am Wiener Gürtel im Jahre 1997. Im Rahmen eines größeren Projektes zur Belebung und Aufwertung der Mittelzone des Gürtels, war geplant durch das Aufstellen von Skulpturen namhafter Künstler, entlang des Gürtels eine Art Open Air Museum entstehen zu lassen und moderne Kunst im öffentlichen Raum zu zeigen. Zehn ausgewählte Künstler präsentierten in einer Ausstellung ihre Modelle, darunter befanden sich auch die beiden hier gezeigten Figuren.
Balkenhols Holz-Skulpturen sind einfache Typen, Menschen aus dem Alltag, niemand bestimmtes, wie man auf den ersten Blick annehmen möchte. Ihre Gesichter zeigen keine auffälligen oder eindeutigen Emotionen, ihre Kleidung ist zeitgemäß, schlicht und unauffällig, sie scheinen ins Leere oder zumindest auf unbestimmbare Punkte zu blicken. Es sind anonyme Personen, distanziert und dadurch auf ihre Weise rätselhaft und interessant, nicht einzuordnen in ein bestimmtes soziologisches Umfeld oder Milieu. Man kommt nicht umhin sich zu fragen, was für ein Mensch hinter der ausdruckslosen Miene steckt, welcher Charakter sich hinter der gleichmütigen Fassade verbirgt. Balkenhol führt den Betrachter auf sich selbst zurück, die Wahrnehmung verlangsamt sich, konzentriertes Beobachten stellt sich ein, der Blick sucht nach dem Besonderen, dem Detail, das etwas über die dargestellte Person verraten könnte. Balkenhol möchte verunsichern, zum Grübeln anregen, die Wahrnehmung verlangsamen. Seine sowohl unter- als auch überlebensgroßen Figuren schlägt er aus ganzen Holzblöcken, dabei lässt er häufig einen Sockel stehen, der mit der Figur verbunden bleibt. Weiche Holzarten wie Pappel- oder Wawaholz erlauben ihm ein präzises Herausarbeiten der Gesichtszüge, doch belässt er stets die grobe Struktur, die er allerdings noch bemalt. Ganz bewusst bleibt die Oberfläche ungeschliffen, offen, spröde und rissig, die Meisselschläge deutlich erkennbar, Holzsplitter lässt er stehen. Balkenhol braucht nur wenige Stunden für eine Figur, die er zuerst auf den Block zeichnet, dann mit der Kettensäge grob herausarbeitet und schließlich noch händisch bearbeitet, wobei es ihm wichtig ist, dass er persönlich Hand anlegt – Assistenten werden nur im geringen Maß eingesetzt. Der Wiedererkennungswert ist groß, seine Skulpturen sind zur Marke geworden, und doch nehmen sie mit einer intensiven Präsenz den Raum ein und provozieren durch ihre gerne ungewöhnliche Platzierung – besonders im öffentlichen Raum – verschiedenste Reaktionen. Ganz bewusst distanziert sich der Künstler von Traditionen und kunsthistorischen Zitaten, weshalb er auf „edlere Materialien“ wie Marmor oder Bronze verzichtet. Gerne spielt er mit Größenverhältnissen und dem Blick auf das Gewohnte, vermischt Mensch und Tierkörper, arbeitet mit architektonischen Elementen, mit denen er seine Figuren verbindet oder stellt ganze Figurengruppen zusammen. Fasziniert von altägyptischen Skulpturen ignorierte Balkenhol als junger Künstler den Trend zur Abstraktion, schwamm gegen den Strom und blieb beim damals verpönt Figürlichen. Seine Arbeiten kommen ohne Zynismus oder Desillusion aus, man sucht umsonst nach diskursiven Anspielungen oder Botschaften. Durch die bewusste Zurückhaltung jeder Individualisierung ermöglichen sie eine spiegelnde Wirkung unserer Emotionen, Vertrautes mischt sich mit Fremdem, Banalität mit Unsicherheit. Gleichzeitig spiegelt die anonyme Verallgemeinerung und Konformität der Figuren ein Phänomen unserer zeitgenössischen Gesellschaft, das nachdenklich stimmt. (Ina Waldstein)