Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

20. Juni 2018, 18:00 Uhr

0809

Hermann Nitsch*

(Wien 1938 - 2022 Wien)

„Schüttbild“
2010
Acryl, Blut auf Leinwand; ungerahmt
150,5 x 100 cm
Rückseitig signiert und datiert: Hermann Nitsch 2010

Provenienz

Privatbesitz, Wien

Schätzpreis: € 20.000 - 35.000
Ergebnis: € 33.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Hermann Nitsch zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstlern, die die österreichische Kunstszene nachhaltig geprägt und verändert haben. Regelmäßig sorgten seine Werke und Aktionen für Skandale, dessen ungeachtet setzte er sein künstlerisches Programm konsequent bis in die Gegenwart fort, konnte sich international etablieren und ist nach wie vor mit seinen Werken sowohl in Museen als auch am Kunstmarkt stark vertreten.
Als Mitbegründer des Wiener Aktionismus fiel Nitsch, der sich zuerst mit dem Expressionismus, dann mit dem Informel befasste, erstmals in den 60er Jahren durch seine Malaktionen auf, wobei besonders seine Erfindung des Orgien-Mysterien-Theaters starke Reaktionen provozierte. Bei seinen Aktionen geht es um das intensive Erleben verschiedenster Substanzen und Flüssigkeiten, aber auch Emotionen mit allen Sinnen, wobei neben Farbe auch Fleisch, Blut und Eingeweide eingesetzt werden sowie Musik, „Lärmorchester“ und „Schreichöre“. Nach großen Erfolgen des Orgien Mysterien Theaters Ende der 60er Jahre in den USA und Deutschland, führte Nitsch während der 70er Jahre in vielen europäischen und nordamerikanischen Städten Aktionen durch. 1971 kaufte er das niederösterreichische Schloss Prinzendorf, wo er seinen groß angelegten Aktionen einen entsprechenden Rahmen geben konnte. Nitsch interpretiert das Leben als Passion, den Malvorgang sieht er dabei als Moment des verdichteten Lebens, in dem die Grenzen zwischen Kunst und Realität in einem rauschhaften Exzess verschwimmen, in dem auch die dunklen Aspekte wie Triebe, Schmerz, Konflikt, Krankheit und Tod als wichtige Teile unserer Existenz zelebriert werden sollen.
Neben vordergründigen Reaktionen des Publikums wie Ekel und Abscheu, mit denen der Künstler bewusst rechnet, sollen seine Aktionen zunächst die Reflexion von im heutigen Alltag meist verdrängter Symbole wie Blut, Tod und Kreuzigung, aber auch von Tabu-Themen, wie der Schlachtung von Tieren hervorrufen und schließlich die Katharsis der Mitwirkenden und Zuschauer bewirken. Durch seine Kombination von echten Tierkadavern und Blut mit liturgischen Elementen ist sein Werk stark umstritten, gleichzeitig zeugt seine konsequente Präsenz in der heimischen Kulturszene von beeindruckender Durchsetzungskraft und Überzeugung. Nicht zuletzt die stark polarisierenden Meinungen über sein Werk haben dieses bekannt gemacht und etabliert. Seine Schüttbilder sind das konzentrierte Ergebnis der Malaktionen, manifestieren aber auch seine Auseinandersetzung mit Jackson Pollock und dem Action Painting.

„Mir geht es um ein intensives sinnliches Erleben. Unsere Zivilisation und die Religion wollen verdrängen. Es wird geleugnet, dass wir tote Tiere essen, das wird hygienisch und ästhetisch verpackt. Aber Verdrängung führt zu Neurosen (…) Die Menschheit wünscht sich den Exzess als Abreaktion herbei, bewusst oder unbewusst. Dem versuche ich am Theater eine Möglichkeit zu geben, sodass das Publikum eine Art Daseinsrausch erfahren kann. (Interview mit Herlinde Koelbl in der Zeit Online, 20 Okt 2011) (Ina Waldstein)