Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

19. Juni 2018, 18:00 Uhr

0332

Gustav Klimt

(Wien 1862 - 1918 Wien)

„Sitzender Rückenakt“
1911/12
Bleistift auf Papier
56 x 36,7 cm
Nachlass-Stempel rückseitig

Provenienz

aus dem Nachlass des Künstlers;
Sammlung Prof. Dr. Rudolf Leopold, Wien;
österreichischer Privatbesitz

Literatur

Reproduziert in "Der Ruf", Februar 1912;
Alice Strobl, Gustav Klimt, Die Zeichnungen 1904-1912, Bd. II, Salzburg 1982, WV-Nr. 2049, Abb. S. 257

Schätzpreis: € 35.000 - 70.000
Meistbot: € 45.000
Auktion ist beendet.

Diese Zeichnung wurde im Februar 1912 in der avantgardistischen Zeitschrift „Der Ruf“ abgebildet und konnte daher 1911, spätestens Anfang 1912 datiert werden. Somit war mit diesem Blatt der verlässliche Anhaltspunkt für die zeitliche Einordnung einer Reihe von Studien gegeben, die von einem extrem hageren Körperideal geprägt sind; dieses wurde offenbar von den überschlank stilisierten Figuren des belgischen Bildhauers George Minne angeregt. Die Qualitäten der bislang nur als Reproduktion bekannten Arbeit, die von Klimt selbst offenbar geschätzt wurde, lassen sich erst in ihrem Originalzustand unmittelbar beurteilen. Jetzt zeigt sich, wie der Künstler mit dem ständig wechselnden Druck seines weichen Bleistifts die Umrisse des sich aufstützenden Rückenakts charakterisiert und belebt. Mit teils kräftig intermittierenden, teils subtil modellierenden Linien betont er die transparente, hagere Körperlichkeit des Modells, das er einer weitgehenden Stilisierung unterwirft. Dies gilt vor allem für die extrem schmale Körpermitte und für die schlangenförmige Diagonale des Rückgrats, die zum rechten Winkel der eckig markierten Schulter und des hageren, aufgestützten Arms spannungsvoll kontrastiert. In dieses geometrische Gefüge stimmen sogar die vertikal und horizontal stilisierten Finger der linken, beziehungsweise rechten Hand mit ein. Unklar bleibt der Verlauf des linken Oberschenkels, dessen knapp angedeuteter Ansatz einen Eindruck von Tiefe vermittelt. Die asymmetrische Positionierung des oben fragmentierten Modells, das rechts unten fast den Papierrand streift, ergibt ein für Klimt charakteristisches Spannungsverhältnis zwischen Körper und Leerraum.

Alice Strobl wies auf die Analogien zwischen dem hageren Körperideal der 1911 entstandenen Studien von Klimt und der gleichzeitig von Egon Schiele gezeichneten Aktstudien hin. Im Gemälde „Die Jungfrau“ (1913), in dessen Kontext Klimt ein ganzes Spektrum an verschiedenen Frauentypen studierte, sollte dieses an Schiele erinnernde Körperideal seine besondere Ausprägung finden.
(Marian Bisanz-Prakken)