Auktionshaus

Auktion: Alte Meister

22. Juni 2017, 15:00 Uhr

1290

„Christlicher Tag: Oder Mündlich=beschauliches Gebett=Buch / Vor Jedwedern Stand der Menschen / die Taeg seines Lebens, Kranckheit, und Sterbens Christlich zu zubringen / Mit anständigen neuen Morgen=Abend=Beicht=Communion=und Meß=Gebetter, Andachten zu Christo / zu Maria / deren Heiligen; auch mit besonderen nutzlichen Anmerckungen nach Christlicher Ordnung wohl versehen …“
Konstanz, Johann Ignaz Neyer, 1747
(Rot-schwarz gedruckter Titel), 663, (9) pp., auf der Innenseite des Vorderdeckels die mit Feder und Tinte eigenhändig geschriebene Eintragung Andreas Hofers:
disses Piechl gehört / mir andere Hofer am / ßant in Passeyr 1804
In der linken unteren Ecke der Innenseite des Vorderdeckels eine alte Anmerkung in Bleistift: „EKA 1910“; Titelblatt und die Blätter der ersten Lagen etwas braunfleckig, das vordere Vorsatzblatt mit Knitterspuren und einem kleinen Einriss im rechten Rand. Zeitgnössischer brauner Lederband mit einfachen Umrahmungen in Blindprägung auf beiden Deckeln, dazu ein alter Lederschuber, auf dessen Rücken in Goldprägung: „Andreas Hofer / 1804. / Sein Gebetbuch / bis zum Tode.“, Einband und Schuber etwas berieben, Ecken und Kanten bestoßen, Altersspuren, 8°

Andreas Hofer hat dieses Gebetbuch im Jahr 1804 vermutlich erworben oder als Geschenk erhalten oder vielleicht war es auch schon im Besitz der Familie, so wie sein 1602 in Augsburg gedrucktes „Reisehandbuch“, das bereits von Andreas Hofers Urgroßvater Caspar „auf einer Reise nach Palästina benutzt wurde“ (Andreas Oberhofer, Weltbild eines „Helden“/ Andreas Hofers schriftliche Hinterlassenschaft, Schlern-Schriften 342, 2008, p. 63). Man weiß auch noch von einem „Piechl“, vermutlich ebenfalls ein Gebetbuch, das sein Schwager Vinzenz von Pühler Andreas Hofer im Februar 1810 „auf dem Weg nach Mantua zusammen mit etwas Geld geschenkt haben soll“ (Oberhofer, Weltbild, p. 64).
Zum ersten Mal wird das Gebetbuch mit Abbildungen der Eintragung und des Titelblattes erwähnt in Karl von Thaler "Tiroler Apriltage von 1809", Oesterreichs Illustrierte Zeitung, 18. Jg., 46. Heft, Wien 1909, p. 1071: „Andreas Hofers Gebetbuch. Zum letzten Mal benützt auf seinem Gange zur Richtstätte. Eigentum des Landtagsabgeordneten R. v. Lindheim“.
Ob das in Konstanz gedruckte Gebetbuch oder das „Piechl“ des Schwagers Pühler von Andreas Hofer bis zur Hinrichtung in Mantua am 20. Februar 1810 benützt wurde, ist nicht nachweisbar.
Das Gebetbuch mit der eigenhändigen Eintragung ist aber das einzige, welches bis jetzt auch als einer der wenigen Gegenstände aus Andreas Hofers persönlichem Besitz erhalten geblieben ist.
Der erste bekannte Besitzer des Gebetbuches nach Andreas Hofer war Alfred Ritter von Lindheim (1836-1913), ein Sohn des böhmisch-schlesischen Industriellen Hermann Dietrich Lindheim (1791-1860), 1868 Direktor der Wiener Handelsbank, 1877 Mitglied der niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer, seit 1878 niederösterreichischer Landtagsabgeordneter. „Vielfach geehrt und ausgezeichnet erwarb er sich große Verdienste um die Weltausstellungen in Antwerpen 1894, Paris 1900“ (Österreichisches biographisches Lexikon, 5, 1972, p. 220 f).
Franciscus Schwenck (keine Lebensdaten bekannt), der Verfasser des Gebetbuches, war Dechant in Haigerloch und Pfarrer in Binsdorf (beide Landkreis Tübingen, Baden-Württemberg).

Provenienz: Andreas Hofer (1767-1810); 1909 im Besitz des niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Alfred Ritter von Lindheim (1836-1913); seit ca. 50 Jahren in österreichischem Familienbesitz

Wir versteigern dieses Buch im Auftrag einer Erbengemeinschaft.

Schätzpreis: € 3.500
Ergebnis: € 12.800 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.