Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

29. November 2016, 18:00 Uhr

0278

Josef Floch*

(Wien 1894 - 1977 New York)

„Mutter mit Kind“
1927/28
Öl auf Leinwand
110,5 × 75 cm
Signiert rechts unten: Floch
Rückseitig altes Etikett auf Keilrahmen: March 1st, 1955 / I hereby give and donate to my daughter, Jenny Floch / the painting known as "Maternity", on the rev-erse. / Joseph Floch

Provenienz

aus dem Nachlass des Künstlers;
Indianapolis Museum of Art, USA, Geschenk von Hermine Floch, der Witwe des Künstlers, an das Museum (1983 bis 2001);
Doyle New York, 05. 12. 2001, Nr. 182;
österreichischer Privatbesitz

Literatur

Karl Pallauf, Joseph Floch - Leben und Werk 1894-1977, Wien 2000, WV-Nr. 112, Abb. S. 148

Schätzpreis: € 150.000 - 300.000
Auktion ist beendet.

Josef Floch gehört zu den Einzelgängern der österreichischen Moderne, der im Umfeld von Expressionismus und Jugendstil, nüchterner Sachlichkeit und Abstraktion stets aufs Neue eigene Antworten für das Verhältnis von Form, Farbe und Raum gesucht hat. Der berühmte Kunsthistoriker und Kritiker Hans Tietze beschrieb ihn als einen denkenden Maler, der beim Malen „das Lebenstempo jener hat, die weit gehen“ (Hans Tietze, in: Pallauf 2000, S. 16). Tatsächlich waren es fast sieben Jahrzehnte, in denen Josef Floch in bemerkenswerter Konsequenz seine malerischen Überlegungen in eine eigene, unverwechselbare Bildsprache übersetzte.
Seine Ausbildung begann an der Wiener Akademie bei Franz Rumpler, wo er in die Aura des österreichischen Barockkolorismus eintauchte. 1919 wurde er bereits Mitglied des Wiener Hagenbundes, Ausstellungen und Verkäufe stellten sich trotz der schwierigen Zeiten relativ früh ein. Eine intensive Reisetätigkeit festigte 1925 den Entschluss, nach Paris zu gehen, wo er bis 1941 blieb. Anerkennung, Erfolg und gesellschaftliche Anbindung gelangen sehr bald. Bereits 1926 konnte er im Salon de France in den Tuilerien ausstellen, 1932 widmete ihm die Galeristin Berthe Weill eine Einzelausstellung. Im Kreis seiner Geliebten, der Bildhauerin Chana Orloff aus der Ukraine, zu dem Jacques Lipschitz, Chaim Soutine oder Balthus gehörten, fand er rasch Anschluss an das pulsierende Pariser Leben. 1941 emigrierte Floch wegen seiner jüdischen Herkunft mit seiner Frau und zwei Töchtern nach New York. Trotz der persönlichen Schicksalsschläge – das Zurücklassen der Familie in Wien und die schwere Behinderung seiner Tochter – fand Floch die Kraft, sich den Eindrücken der neuen Heimat zu öffnen und sie in seine Malerei aufzunehmen. Er starb 1977 in New York als amerikanischer Staatsbürger.
Landschaft und Figur sind das Hauptthema der Malerei von Josef Floch, deren Grundprinzip in einem Bewahren eines klassischen Humanitätsbildes und eines strukturierten Bildaufbaus zu erkennen ist. Die Auseinandersetzung mit der Kunst Frankreichs und Italiens brachten ihn früh von der expressiven Tradition Wiens weg hin zu einer neuen „Klassizität“, zu einer fein linear umrandeten und strukturierten Form bei gleichzeitiger Zurücknahme intensiver Farbtöne. Kurz nach seiner Übersiedlung nach Paris verzeichnete Floch in seinem Tagebuch: „Das Figurale ist es vor allem, das langsam meine Entwicklung entscheidet. Höchste reinste Form. Ausdruck der davon hervorwächst. Einfachste Farbe, der Raum gibt klare einfachste Zeichnung, die flächenhaft bleibt und einen völligen in sich geschlossenen ruhigen Rhythmus gibt.“ (zitiert in: Pallauf 2000, S. 25)
Josef Floch hatte schon in den frühen 1920er Jahren begonnen, Figuren zu entindividualisieren und sie mehr als Symbol, denn als Einzelperson zu interpretieren. 1926 entstand eine Serie von Frauenbildern, sitzend in einem nicht weiter definierten Raum. Eines der frühesten Gemälde betitelte er mit „Moderne Madonna“, die folgenden bezeichnete er nur mehr mit „Frau“. Kennzeichnend für diese Serie ist die schmale, feine Gesichtsform mit einem spitzen Kinn, eine schöne, aber scharfkantige Nase und mandelförmige, wie mit dem Messer ausgeschnittene Augenlider. Dieser Typus wird auch im vorliegenden Gemälde der „Mutter mit Kind“ wiederholt, das im Besitz des Künstlers verblieb.
Es ist verlockend, die Vorlage für das Gesicht in der damaligen Geliebten von Floch, der ukrainisch-israelischen Bildhauerin Chana Orloff zu sehen, deren Beziehung gerade in diesen Jahren intensiv wie problematisch verlaufen ist. Andererseits abstrahieren die fein aber kantig modellierten Gesichtszüge jeden individuellen Zug, um vielmehr eine fast makellose und somit allgemeine Form für „Frau“ oder „Mutter“ zu schaffen. Floch scheint hier auch jenen Frauentypus aufgenommen zu haben, den der 1920 verstorbene Maler Amedeo Modigliani oder der rumänisch-französische Bildhauer Constantin Brancusi geboren haben: Schönheit in der Abstraktion, Eleganz der Linie und Tiefe des Ausdrucks. 1917 malte Modigliani seinen Freund Lipchitz und dessen Frau in einer ähnlichen Figurenkomposition, bei der die Konzentration nur am Rande auf den individuellen Porträts liegt, vielmehr ein allgemeiner Typus eines Paares geschaffen wurde.
Im Bild der „Mutter mit Kind“ wird diese Symbolik durch die enge Verwobenheit der Figuren mit dem sie umgebenden Raum noch mehr unterstrichen. Mit einer eigenen Spachteltechnik, bei der Farbschichten mit einem Palettenmesser übereinandergelegt werden, ohne eine völlige Deckung zu beabsichtigen, baut Floch wie ein Baumeister seine Komposition auf. Der Raum gewinnt durch diese Farbenarchitektur eine eigene, dinglose Struktur, die den Figuren einen ort- und zeitlos gültigen Rahmen verleiht. Die Farbtöne werden im Weiteren so reduziert, dass kein Effekt des Momentanen und Einzigartigen entstehen kann. Ein pastellartiger Schleier verleiht den Figuren etwas Vages, auch Fragiles.
Dieses Gleiten in eine abstrakte Formensprache ist nicht rein formal zu erklären, es vermittelt auch eigene, intensive Gefühlsströmungen. Tietze spricht von „seelischen Kraftfeldern“, die den Bildern die notwendige Wärme verleihen und die Strenge der wohldurchdachten Kompositionen in ein weiches Bett der Empfindungen überleiten. „Was zwischen den Dingen ist – und das ist nicht Luft allein, sondern spannungsreiche Beziehung – ist so wichtig wie die Dinge selbst; darum sind die Bilder wie von einem geheimnisvollen Leben und Weben erfüllt, von dem Fluidum künstlerischer Atmosphäre, das diesen ruhenden oder in ziellosem Beisammensein vereinigten Gestalten Schicksal und Weihe verleiht….“ Flochs Figuren sind in diesem Sinne „überreal“, gebildet aus der künstlerischen Vision, die „ganze Fülle der Welt ins Medium der Kunst umzudeuten“. (Hans Tietze in: Pallauf 2000, S. 17) (MHH)