Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

24. November 2015, 16:00 Uhr

0054

Werner Berg*

(Elberfeld 1904 - 1981 Rutarhof)

„Morgenritt“
1939
Öl auf Leinwand
75 × 95 cm
Monogrammiert links unten: W. B.
Rückseitig auf altem Etikett betitelt: Morgenritt
Originaler Künstlerrahmen

Provenienz

direkt vom Künstler erworben; seither in Besitz der Familie des ersten Eigentümers (Privatbesitz, Deutschland)

Literatur

Wieland Schmid u. a., Werner Berg. Gemälde. Mit einem Werkverzeichnis von Harald Scheicher, Klagenfurt 1994, vgl. WV-Nr. 182 ("Winterlicher Reiter", 1937) sowie WV-Nr. 227 ("Reiter im Winter", 1939)

Dr. Harald Scheicher wird das Bild unter der Nummer 227b in das Werkverzeichnis aufnehmen.

Schätzpreis: € 35.000 - 70.000
Ergebnis: € 118.400 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Werner Berg hatte sich 1931 mit seiner jungen Familie auf dem entlegenen Rutarhof angesiedelt. Dort hoch über der Drau wollte er als Bauer und Maler ein einfaches und unabhängiges Leben voll unmittelbarer Anschauung führen. Gefördert durch Emil Nolde suchte er in starkfarbigen, flächig gemalten Bildern Landschaft und Menschen seiner Wahlheimat einzufangen.
1939, im Jahr der Bildentstehung, war Werner Berg mit zwei seiner aus deutschen Museen beschlagnahmten Ölbildern auf der Wiener Station der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ diffamierend vertreten. Bereits 1935 war seine Kollektivausstellung im Kölner Kunstverein auf Anordnung der Reichskunstkammer polizeilich gesperrt worden. Die Kette von Anfeindungen und Rückschlägen führte in den späten 1930er Jahren zu einem Rückzug des Künstlers auf Themen aus dem Kreis seiner Familie und der unmittelbaren Umgebung seines Hofes. Er malte zu dieser Zeit meist unmittelbar vor dem Motiv; die zu dieser Zeit entstehenden Bilder sind dem natürlichen Augenschein näher, sie schildern sachlich-klar die jeweilige Situation.

Für den „Morgenritt“ musste Herr „Pacher“, der Verwalter am Hof, auf dem Pferd reitend „Modell stehen“. Doch Werner Berg suchte hier nicht das konkrete Abbild eines ihm nahen Menschen wiederzugeben, vielmehr ging es ihm, inspiriert von einem Gedicht Conrad Ferdinand Meyers, um das allgemeine Thema des „Winterlichen Reiters“:

Begegnung.

Mich führte durch den Tannenwald
Ein stiller Pfad, ein tief verschneiter,
Da, ohne daß ein Huf gehallt,
Erblickt’ ich plötzlich einen Reiter.
Nicht zugewandt, nicht abgewandt,
Kam er, den Mantel umgeschlagen,
Mir däuchte, daß ich ihn gekannt
In alten, längst verschollnen Tagen.

Der jungen Augen wilde Kraft,
Des Mundes Trotz und herbes Schweigen,
Ein Zug von Traum und Leidenschaft
Berührte mich so tief und eigen.

Sein Rösslein zog auf weißer Bahn
Vorbei mit ungehörten Hufen.
Mich faßt’s mit Lust und Grauen an
Ihm Gruß und Namen nachzurufen.

Doch keinen Namen hab’ ich dann
Als meinen eigenen gefunden,
Da Roß und Reiter schon im Tann
Und hinterm Schneegeflock verschwunden.

Im herrlich die sonnendurchflutete Wintermorgenstimmung einfangenden Bild ist, anders als in dem bekannten, zwei Jahre zuvor entstandenen „Winterlichen Reiter“ (WV-Nr. 182), nun nicht der Tannenwald, sondern die Wegkuppe unmittelbar vor dem Rutarhof dargestellt. Die Stelle war für den Künstler außerordentlich bedeutsam, da man über diese Kuppe kommend (wie der Reiter auf dem Bild) plötzlich den Rutarhof unmittelbar vor sich hatte. Neun Jahre zuvor hatte ihn der Künstler voll „Traum und Leidenschaft“ erstmals so erblickt. Hinter dem Reiter geht der Blick nach Südosten hin zu den im morgendlichen Gegenlicht dargestellten Karawanken und Steiner Alpen.
Die im Sommer zuvor bemalte Rückseite des Bildes zeigt „Herrn Pacher“ mit den Mägden beim Aufrichten der „Heuhiefler“. Die nicht weiter ausgeführte Bildanlage zeigt besonders schön, wie rasch zugreifend und im freien Pinselstrich Werner Berg seine Bilder anfangs anlegte, um später die Flächen erst klärend zu definieren. Gerade in dieser Spontaneität des Erfassens ist der ungeheure Reiz dieses Motivs begründet. Man erahnt, welche Kraft es dem Maler abverlangte, seine Bilder nicht im bravourös, virtuosen Vortrag zu belassen, sondern konsequent den Weg zum eindeutigen, sinnbildhaften Gleichnis zu suchen.
(Dr. Harald Scheicher, Verwalter des künstlerischen Nachlasses Werner Berg)