Auktionshaus

Auktion: Alte Meister

24. Juni 2014, 18:00 Uhr

0508

David Vinckboons

(Mecheln 1576 - 1629 Amsterdam)

„Der Nesträuber („Allegorie auf den Diebstahl“)“
um 1610
Öl auf Holz
28 × 43,5 cm
Rückseitig Reste eines handschriftlichen Sammlungsetiketts: No. 20 Finkenboo...

Provenienz

ehemals Privatsammlung Schweiz; Galerie Friederike Pallamar Wien, 1974/75; direkt dort erworben vom derzeitigen Besitzer

Literatur

Land und Leben in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts, Katalog der Ausstellung 1975, Galerie Friederike Pallamar, Wien, 17. November bis 31. Dezember 1975, S. 147ff., Nr. 29 (mit Abb.)

Gutachten Dr. Klaus Ertz, Lingen, den 17. September 2012, liegt bei.

Schätzpreis: € 15.000 - 30.000
Ergebnis: € 23.040 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die vorliegende Komposition zeigt in leuchtenden Farben die charakteristisch reizvollen Figuren David Vinckboons mit ihren teilweise überspitzt individualisierten Gesichtsausdrücken und zwergenhaft gedrungen erscheinenden Körperformen. In der Tradition der flämischen Kunst des Erzählens in Bildern stehend, ist die Darstellung nicht nur als die bloße Beobachtung eines kleinen „Nesträubers“ zu lesen, sondern erhält als humoristisch-mahnende „Allegorie des Diebstahls“ besonderen Charme. Denn während die beiden Männer in der Mitte samt ihrem Jagdhund den gerade entdeckten Vogeldieb in der linken Baumkrone betrachten, ist rechts neben dem Mann mit Hut ein Junge dabei, diesem ebenfalls das Geld aus der Tasche zu stehlen. Aus der Zeit stammende Sprichwörter, wie beispielsweise „Der, der weiß, wo das Nest ist, hat die Kenntnis, aber der der beraubt, besitzt es“ unterstreichen die Fähigkeit Vinckboons in seinem belebenden Realismus Szenen des Alltags mit Sinn und Inhalt zu bereichern.
Das berühmte Werk „Der Nesträuber“ von Pieter Brueghel dem Älteren („Der Bauer und der Vogeldieb“, 1568, Kunsthistorisches Museum, Wien) ist als Vorbild für eine ganze Künstlergeneration anzusehen. Während Pieter Brueghel der Jüngere sich streng an die Vorgaben des Vaters gehalten hat, variiert David Vinckboons dieses Thema in verschiedenen Zeichnungen, Gemälden und Radierungen. In dieser Werkgruppe stellt das vorliegende Gemälde durch die Fülle an Figuren eine Besonderheit dar. Im Rahmen seines Werkverzeichnisses zu Pieter Brueghel dem Jüngeren hat Dr. Klaus Ertz auch die Werke David Vinckboons, einem 11 Jahre älteren Zeitgenossen von Pieter Brueghel dem Jüngeren, näher beleuchtet (vgl. Klaus Ertz, Pieter Brueghel d.J., Freren, 2000, S. 379–760: Pieter Brueghel d.J. und David Vinckboons). Er stellt in seinem Gutachten vorliegendes Gemälde in den Kontext vergleichbarer Werke des Künstlers. So befindet sich in Brüssel eine seitenverkehrte Zeichnung, jedoch ohne die stillende Frau, den Hund und den Käfig, welche 1606 als Vorlage für eine Radierung Vinckboons diente („Der Nesträuber“, um 1606, Brüssel, Königliche Bibliothek Albert I., Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 8. V. 65747). Eine seitengleiche, jedoch ebenfalls in den Figuren reduzierte Zeichnung desselben Sujets ist in Stuttgart zu finden („Nesträuber“, um 1608, Graphische Sammlung der Staatsgalerie, Stuttgart, Inv.Nr. C 64/1326).
Sowohl in allen bislang bekannten Zeichnungen als auch in den Gemäldevariationen Vinckboons fehlen die stillende Frau und der Hund. Einzig das Element des Vogelkäfigs mit Stab, zwischen der stillenden Frau und dem Dieb, findet sich fast „wörtlich“ in Vinckboons Gemäldekomposition „Der blinde Bettler“. (vgl. Gutachten Dr. Klaus Ertz)