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Werner Berg - Dr. Scheicher Interview

Werner Berg
Kirchgeherin

Dr. Harald Scheicher betreut seit nunmehr 40 Jahren den künstlerischen Nachlass seines 1981 verstorbenen Großvaters Werner Berg. Über ihre Beziehung, das Leben auf dem Kärntner Berghof und das Besondere an der Kunst des Großvaters spricht er mit Alexandra Markl.

AM: Wie nahe waren Sie Ihrem Großvater?

HS: Ich bin mit seinen Bildern aufgewachsen. Meine Mutter war Werner Bergs Tochter, und als kleine Kinder waren wir häufig am Rutarhof oben. Engen Kontakt zu meinem Großvater habe ich vor allem gefunden, als ich später den Führerschein hatte und ihn nach Klagenfurt chauffierte.

Werner Berg
Spätwinterabend

AM: Wie war das Leben auf dem Berghof?

HS: Als Kinder haben wir es schön erlebt, und auch seine Kinder hatten eine schöne Kindheit. Es war eine fast schon anarchische Freiheit, fern von gesellschaftlichen Zwängen. Das war meinem Großvater wichtig, der ohne Konventionen leben wollte. Dafür war das Leben dort extrem einfach. Die Familie hat den Hof voll bewirtschaftet, erst in den 1960er Jahren gab es elektrischen Strom und den ersten Traktor!

AM: Ist das nicht ein Widerspruch zu der hoch industrialisierten Gegend, aus der Werner Berg ursprünglich stammt?

HS: Er kam ja aus dem Wuppertal, einem Zentrum der Farbindustrie, wo die Anilindämpfe das Leben beherrschten. Von dort zog er sich bewusst in den Südosten Kärntens zurück. Werner Berg war studierter Nationalökonom, er wusste über die wirtschaftlichen Zusammenhänge Bescheid. Für ihn war es jedoch möglich, Lebenssinn – auch als Maler - aus einem einfachen Leben zu schöpfen, in bewusstem Kontakt zur Natur und den Menschen. Damit hat er vieles von der heutigen Ökologiebewegung vorweggenommen.

Werner Berg
Keusche im Winter

AM: Wie charakterisieren Sie das frühe Werk?

HS: Im „Schrein der unschuldigen Kinder“ etwa erkennt man seine Faszination für Werke der Volkskunst; das kennt man ja auch von andern Künstlern des Expressionismus. Das Archaische hatte eine gewisse Exotik für ihn. Im Gegensatz dazu ist in den späteren Landschaften die Identifikation mit dem eigenen Lebensbereich, mit dem Schicksal der Nachkriegszeit eine viel Stärkere.

AM: Werner Bergs Welt ist scheinbar begrenzt - und sagt uns doch so viel…

HS: Das ist das Erstaunliche. Viele Kritiker meinten zu seinen Lebzeiten, sein Werk umfasse einen allzu engen Lebensbereich, man müsse Kärnten kennen, um es zu verstehen. Aber das stimmt nicht: Weil Berg in diesem begrenzten Bereich immer mehr in die Tiefe ging. Er erarbeitete sich wesentliche Faktoren des Menschseins, und das macht sein Werk allgemein gültig.

Werner Berg
Sommerabend

AM: Was hat es mit den zwei Kirschbäumen in dem Bild „Spätwinterabend“ auf sich?

HS: Das waren seine Lebensbegleiter. Er hat sie beim Hinaufgehen 1931 auf den Hof zum ersten Mal gesehen und sie kommen immer wieder in seinen Bildern vor. Trotzdem wirkt das Bild düster; es stammt aus der Zeit, in der seine Frau schwer krank war. Damals gab er diese expressiven Farben der 1960er Jahre auf und ging zu einer sehr gedeckten dunklen Farbigkeit über. Der „Spätwinterabend“ ist eines der schönsten Bilder aus dieser Zeit für mich, eben weil es die Stimmung dieser Jahre so mitträgt.

Werner Berg
Heimfahrende

AM: Das Bild „Sommerabend“ wiederum besticht durch seine Klarheit – ist das etwas, das Berg wichtig war?

HS: Absolut. Das Bild ist sehr reduziert, nur das Haus leuchtet. Mein Großvater beanspruchte das Wort von Paul Valery für sich: „Was gibt es Geheimnisvolleres als die Klarheit“? So sind seine Bilder voll Geheimnis und doch sehr klar in der Ausformung; allgemein lesbar, aber vielschichtig. Das macht die Zeitlosigkeit seines Werkes aus.

Werner Berg
Schrein der unschuldigen Kinder

AM: So nimmt sein Erfolg heute stetig zu…

HS: Zu seinen Lebzeiten gab es nicht so viel Verständnis, „Kopftuchweiblein“ wurden die Frauen in seinen Darstellungen genannt. Heute sieht man diese Bilder losgelöst von den unmittelbaren zeitlichen Faktoren.

AM: Hätte er sich über den Erfolg heute gefreut?

HS: Ja, sicher! Mein Großvater war zwar ein sehr bescheidener Mensch, hat für sich materiell nichts beansprucht und unter den einfachsten Bedingungen gelebt. Aber er war von dem Rang seines Werkes innerlich überzeugt. „Die Stunde, wo die Menschen das erkennen, wird erst kommen“, hat er geschrieben. Und jetzt ist das immer öfter der Fall.