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Nachruf Hermann Nitsch

Der 1938 geborene Hermann Nitsch – von seiner Umgebung stets nur „nitsch“ genannt – ist am Ostermontag im Alter von 83 Jahren verstorben.

Er war eine der prägendsten Künstlergestalten, die gegen die konservative Denke der Nachkriegsjahre angingen. Der von ihm mitentwickelte Wiener Aktionismus zählt heute (nach der „Wien um 1900“-Bewegung mit Klimt, Schiele und Kokoschka) zu der zweiten großen international anerkannten Kunstbewegung, die aus Österreich stammt.

Ausgangspunkt für diese Kunst war ein Keller in Wien im Jahr 1962, wo die erste Aktion, genannt „Blutorgel-Aktion“ stattfand. In der Perinetgasse im 20. Bezirk mauerten sich Nitsch, Otto Mühl und Adolf Frohner ein. Sie verschütteten Blut, setzten Tierkörper, Exkremente und Gerümpel ein, bis sie diese Mauern nach vier Tagen wieder durchbrachen – auch das ein symbolischer Akt.

Auf diesen Aktionen aufbauend schuf Nitsch sein Gesamtkunstwerk: das Orgien Mysterien Theater. Mit dem Rückgriff auf Brauchtum, Rituale und Religion entwickelte er Aktionen, die das Publikum mit allen Sinnen und Sein erfassen sollte.  Es stank nach Blut und Fleisch, und nackte Menschen kreuzigten Lammkadaver, während daneben Lärm- und Schreiaktionen stattfanden. 1998 wurde dieses Gesamtkunstwerk erstmals in Prinzendorf aufgeführt. Wie die Schöpfung dauerte es sechs Tage und löste Protest von Tierfreunden aus (obwohl nur fachgerecht getötete Tiere verwendet wurden).

Erst 1983 setzte Nitschs malerisches Werk wieder verstärkt ein. Immer noch dem Gesamtkunstwerk verpflichtet, nahm er – wohl auch in Anlehnung an Klimts berühmten blauen Malerkittel – das Malhemd in sein Werk auf. Der Künstler sah sich fortan als Priester seines Orgien Mysterien Theaters und brachte dessen Exzesse und Explosionen auf die Leinwand. In den Schüttbildern verwendete er getrocknetes Blut von in den Aktionen eingesetzten Tierkadavern und rote Farbe. So ist es ein durchaus lustvolles Schmieren, ein intensives sinnliches Erleben, das diese berühmten Schüttbilder ausstrahlen.

Heute ist Nitschs Rang in der Kunstwelt unumstritten; seine Bilder sind weltweit in wichtigen Museen zu finden und erreichen hohe Preise bei Auktionen. Am Montag, seinem Todestag, wurde auch eine große Einzelausstellung parallel zur Biennale in Venedig eröffnet. Gezeigt wird der Werkblock der 20. Malaktion aus 1987, der in der Secession entstand; die Schau ist bis 20. Juli 2022 zu sehen.

Alexandra Markl