Auktionshaus

Michaela Spiegel im Interview

Die Künstlerin Michaela Spiegel hat in der französischen Picardie das erste feministische Kreativzentrum in Europa ins Leben gerufen. Dort lebt und arbeitet sie, unterbrochen durch längere Aufenthalte in Wien. In ihrem Atelier im 4. Bezirk hat sie mit Alexandra Markl einen sehr persönlichen Blick auf ihr Werk geworfen.

Michaela Spiegel*
Violet vagina flowers on mellow yellow
€ 6.000 - 12.000

AM: Im Kinsky kommt ihr Bild „Violet vagina flowers on mellow yellow“ zur Auktion. Was steckt hinter dem Motiv der verwelkenden Blumen?

MS: Meine Blumendarstellungen haben ihren Ursprung in den Trauerkränzen für meine Mutter, die letztes Jahr verstorben ist. Überhaupt sind so viele Menschen verstorben… Es gab immer viele frische Gräber, und daher nach ein paar Wochen viele vertrocknete und verkommene Kränze.

AM: Was fasziniert Sie daran?

MS: Das Verkommene hat eine ganz eigene Ästhetik, eine wirklich große Schönheit: die Schönheit des Verfalls, den wir in uns tragen. Überhaupt mag ich gerne schöne Dinge.

AM: Darf Kunst also einfach schön sein?

MS: Ich glaube, wir leben in einer Zeit, wo Kunst schön sein muss. Es haben viele Menschen unglaubliche Beschneidungen erlitten, die größte davon war der Tod. Woran soll man sich dann festhalten? Am Schreien und sich nicht Unterwerfen wollen? Das glaube ich nicht. Wir brauchen etwas, das ästhetische Satisfaktion gibt.  

AM: Dazu passen auch die harmonierenden Farben in Ihrem Bild…

MS: Ich habe zehn Jahre lang nur in schwarz-weiß gemalt. Erst seit dem Tod meiner Mutter arbeite ich wieder bunt. Sie hat mich befriedet zurückgelassen; es ist ihr gelungen, ihr Leben in Bezug auf mich ins Positive aufzulösen. Da bin ich ihr zu größtem Dank verpflichtet.

AM: Geben Sie damit nicht sehr viel von sich preis in diesen Bildern?

MS: Den Exhibitionismus habe ich als Künstlerin in mir. Aber wie könnte ich auch etwas anderes erzählen als das, das ich erlebt habe? Ich bin nicht froh, dass meine Mutter tot ist, aber bin froh, dass sie die Spannung aufgelöst hat. Das kann man nachvollziehen, wenn man die Bilder sieht. 

AM: Sie sind ein politischer Mensch, bezeichnen sich als Feministin…

MS: Feminismus ist in meiner Kunst und in meinem Leben. Aber ich verkaufe ja nicht meinen Feminismus, sondern Kunst. Trotzdem komme ich in meiner Arbeit natürlich darauf zurück. Allerdings suche ich nicht, Propaganda zu veranstalten; ich suche danach, was Kunst ausmacht.

AM: Und was macht Kunst aus?

MS: Die Thematik ist meiner Meinung nach nebensächlich: Es kommt auf die Ästhetik und die Technik und auf das Beherrschen dieser Technik an. Danach sucht man als Künstler ein Leben lang. Und je älter man wird, desto mehr konzentriert man sich darauf.

AM: Wie ist Ihre Arbeitsweise?

MS: Ich arbeite nach Fotos, mit Pastellkreiden auf handgeschöpftem japanischem Papier. Denn das Verfallene und Vertrocknete der Blumen passt gut mit einer trockenen Kreide auf trockenem Papier zusammen. Diese Blumen könnte ich gar nicht in Öl machen, das wäre purer Kitsch.

AM: Das ist ein Etikett, mit dem – von manchen Kritikern- Ihr Lehrer Wolfgang Hutter, ein Vertreter der Wiener Schule des phantastischen Realismus, versehen wurde…

MS: (Lacht) Ich sage immer: Ich mache irrealistischen Feminismus statt phantastischen Realismus! Hutter hat Mäderln und Blumen gemacht und ich mach‘ halt auch Mäderln und Blumen, bei mir schaut es halt ein bissl anders aus.