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Interview mit Lena Henke "Bull Run"

18.10.2022 / ZEITREISE 2022

In Ihrer Arbeit kommt immer wieder das Thema des Pferdes (Pferdehufe, -beine, Leder) vor. Inwieweit passt auch „Bull Run“ in dieses Motiv?

Lena Henke: Tiere sind Inspiration, Konzept aber auch “Material”. Mit diesem technoiden Hybriden aus Bison und konventionellem amerikanischem Zuchtvieh spiele ich einerseits auf die Kommerzialisierung der Fleischproduktion in Amerika an, und anderseits auf die ‘Wild Wild West’ Kultur Amerikas, die wir in Europa oft romantisieren.

Machen Sie sich mit „Bull Run“ eben über den großen amerikanischen Traum und die damit verbundene Vorstellung von Männlichkeit sogar lustig?

Lena Henke: Vielleicht! Bis ins 19. Jahrhundert lebte im Westen des Landes eine unglaubliche Anzahl wilder Bisons, bis schließlich die Jagd auf die Tiere kommerzialisiert wurde; durch die  Westernfilme sind diese Jagden weltberühmt geworden. Der Schädel spielt mit dieser Westernromantik und erinnert an dekadente Jagdtrophäen.

Es fällt auf, dass Sie den Stier zwar auf ein Podest heben, allerdings auf ein klappbares – ist das ironisch gemeint?

Lena Henke: Die Positionierung des Schädels auf dem Kunststoff-Klappstuhl spielt mit dem fragwürdigen Fetisch der Trophäe. Das Objekt wir von der Wand heruntergeholt und sitzt temporär auf einem gebrauchten Klappstuhl, unter uns, bei uns.

Wenn man sogar den starken Bullen wegklappen kann, wird dieses starke männliche Motiv seiner Wichtigkeit entkleidet… Unterwandern Sie damit die althergebrachten Sichtweisen von männlicher Stärke?

Lena Henke: Man kann nicht nur den Bullen wegklappen, sondern seine Hörner abdrehen. Er ist leicht mitzunehmen, und ganz schnell wieder aufgebaut. Eine ironische Anspielung auf die Flexibilität am Arbeitsort oder steigende Aktienkurse auf wackligem Fundament? Beide Leseweisen sind möglich. Auch musste ich zu dem Zeitpunkt der Kreation viel reisen, und so war diese Art der Darstellung die passendste. Das Material ist leichtes Fiberglas anstatt Bronze oder Stein.

Der Titel der Arbeit habe ich von den “Power Moves” des männlich dominierten Aktienmarktes abgeleitet. Ein Bull Run bezeichnet eine lange, ausgedehnte Marktphase, in der die Aktienkurse insgesamt steigen.

Was hat es mit der Farbe Magenta/Lila auf sich, die immer wieder in ihrem Werk vorkommt?

Lena Henke: Die Farbe Lila bzw. Purpur benutzte ich gerne, um eine vermutlich männlich wirkende Form mit einem weiblich konnotierten Farbton zu brechen. Der Schädel ist allerdings keinem Geschlecht konkret zugeordnet. Das intensive Lila begleitet meine Praxis schon lange. Für mich hat die Farbe ihre Ursprünge aber eher in der feministischen Praxis, in der Kunstgeschichte (Werke wie Tom Burrs "Deep Purple" oder Annette Kelms rosa-violette Latzhosen) und in der Popkultur im Sinne von "purple haze" (Codewort für psychedelische Rauschzustände).

Alexandra Markl