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Interview mit den ZG-Expertinnen Astrid Pfeiffer und Timea Pinter

09.12.2020 / Die Phantastischen Realisten – Hutter, Hausner & Co.

Astrid Pfeiffer und Timea Pinter

Das im Kinsky hat in der Weihnachtsauktion das große Glück, mit tollen Einbringungen einen eigenen Phantasten-Raum bespielen zu können. Wie kann man diese Kunstrichtung erklären?

AP: Die Wiener Schule des Phantastischen Realismus hat sich in den 1950er Jahren formiert. Sie stand dem Gedankengut der 1920er Jahre nahe: einerseits dem Surrealismus, andererseits der Psychoanalyse, die gerade im Wien der Zwischenkriegszeit diskutiert wurde. Diese Kunstrichtung nahm nach dem zweiten Weltkrieg ihren Ausgang an der Wiener Akademie der bildenden Künste, auch als Antwort auf die dunklen Jahre des Nationalsozialismus. Zu den prominentesten Vertretern zählen Ernst Fuchs, Arik Brauer, Rudolf Hausner, Anton Lehmden, Helmut Leherb und Wolfgang Hutter, ebenso Peter Proksch und Kurt Regschek.

Die Phantastischen Realisten

Wodurch zeichnet sich dieser Kunststil aus?

AP: Charakteristisch waren die fantastisch-unwirklichen Motive, die mit höchster technischer Perfektion umgesetzt wurden. Die Pflege und das Wiederaufleben altmeisterlicher Maltechnik, insbesondere der Lasur nach dem Vorbild flämischer und altdeutscher Malerei sowie das Auseinandersetzen mit dem Manierismus waren prägend. Dazu kam eben die Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse, die ja in Wien ihren Ursprung hatte.

Die Phantastischen Realisten

Wie erfolgreich war der Auftritt der Phantastischen Realisten am Kunstmarkt?

TP: Die erste gemeinsame Ausstellung wurde 1959 im Belvedere gezeigt. Wie gerade erwähnt unterschied sich diese Gruppe stark vom damaligen Mainstream der abstrakten Malerei. So verhalf diese Ausstellung ihnen zum ersten großen Durchbruch und internationaler Bedeutung, weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Ihre bizarren, fantasievollen Traumwelten voller Überraschungen fanden schnell Anklang und so wurde der Phantastische Realismus eine der international erfolgreichsten Kunstströmungen der Moderne Österreichs.

Die Phantastischen Realisten

Was ist zu dem fantastischen – auch fantastisch großen – Gemälde Wolfgang Hutters zu sagen?

AP: Es ist ein wahrlich museales Gemälde! Es trägt den poetischen Titel „Ein Sonnenuntergang“. Man könnte es stundenlang betrachten und immer wieder neue Details entdecken: Daran erkennt man den Könner. Hutter schafft ein ganzes fantastisches Universum – eine Hutterwelt - in einem drei Meter großen Bild. Ich würde ihn sogar als wahrhaften Magier der Malerei bezeichnen.

Was empfinden Sie bei diesen Gemälden?

AP: Zu Hutters Bild fällt mir spontan der „Garten der Lüste“ von Hieronimus Bosch ein; Arbeiten von Botticelli, Bruegel, die großen Landschaftsbilder der Kunstgeschichte. … All diese haben noch immer eine unglaubliche Wirkung, Ausstrahlung und Faszination. Dieses fachmännische Können, das alte Handwerk, die Leidenschaft, die dahintersteckt, all das ist zu spüren. Das ist die wahre Kunst, finde ich, dass Talent und Leidenschaft, die in einem Kunstwerk stecken, die Zeit überleben, Menschen immer noch berühren.

TP: Die Künstler bedienten sich an Szenen aus dem Alten Testament und der Apokalypse, ihre Bildwelten scheinen aus Traumwelten und Mythen entsprungen zu sein, die sie mit kosmischen und erotischen Darstellungen füllten. All das sind Themen, die nie an Aktualität verlieren.

Könnte man sagen, es sei derzeit vielleicht der perfekte Moment für die Art des Eskapismus, den die Phantasten bieten?

TP: Durchaus! Ihre Kunst war zwar viele Jahre als „Kitsch“ verschrien, sie erfreut sich aber nun wieder mehr und mehr an Beachtung und Anerkennung.

AP: Absolut! Bei den hier angebotenen Bildern der Fantasten denke ich, dass es sich um eine sehr gute Investition handelt. Diese Arbeiten haben Bestand und zeitlose Eleganz.

TP: Die Kunst der Maler des Phantastischen Realismus bietet die Möglichkeit, aus unserer Welt für einen Moment zu entfliehen: Sie leitet ihre Betrachter in eine vermeintlich ideale, fantastische Welt.

Eine persönliche Frage: Wie wichtig ist Ihnen Fantasie?

AP: Ich bin schon als Kind immer in Fantasiewelten abgedriftet – und noch immer liebe ich das Bilderbetrachten. Welche Welt steckt hinter der Arbeit? Welche Gedanken? Welche Emotionen? Die Wiener Phantasten schenken uns zu unserer Welt noch mannigfache weitere Welten. Zeitlose Welten, in die wir nach Lust und Laune reisen dürfen – wie wunderbar in einer Zeit, in der wir alle zu Hause bleiben müssen…

TP: Die echte und reale Welt kann manchmal grausam und wenig fantasievoll sein. Die Fantasie lässt uns aus dieser Welt - wenn auch nur für einen Moment - entfliehen.  Ich denke, das ist zu jeder Zeit, aber insbesondere in der heutigen, eine ansprechende „Ablenkung“.