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Ein kritischer Beobachter: Carl Spitzweg

02.12.2021 / Monika Schweighofer im Interview

Carl Spitzweg
Erfahrungen eines älteren Mannes" (vier Rundmedaillons)
€ 80.000 - 140.000

Was ist das Faszinierende an der Künstlerpersönlichkeit Spitzwegs?

Spitzweg war Autodidakt. Er absolvierte in München ein Studium der Pharmazie, Chemie und Botanik und war auch kurze Zeit als Apotheker tätig. Jedoch zeigte sich bereits in jungen Jahren sein künstlerisches Talent. Sein Können vertiefte er durch das Kopieren Alter Meister an der Alten Pinakothek sowie auf Studienreisen, vor allem nach Italien. Er bewegte sich schon früh in Künstlerkreisen und seine Freundschaften zu Malern wie Friedrich Voltz, Eduard Schleich oder Moritz von Schwind beeinflussten sein künstlerisches Schaffen. 1833 beschloss er, seine Apotheker-Tätigkeit aufzugeben und sich ausschließlich der Malerei zu widmen. Diese Entscheidung war die richtige, denn seine Malerei wurde vom Publikum geschätzt, und er fand als Künstler größte Anerkennung. 

Carl Spitzweg
Erfahrungen eines älteren Mannes" (vier Rundmedaillons)
€ 80.000 - 140.000

Carl Spitzweg gilt als kritischer Beobachter seiner Zeit. Woran lässt sich dies auch in den vorliegenden Medaillons festmachen?

Sein liebevoller Humor, mit welchem er das deutsche Kleinbürgertum darzustellen verstand, spiegelt sich auch in unseren vier Medaillons wider. Vor allem die Darstellung des Witwers ist bezeichnend. Dieser trägt noch die Trauerschleife am Ärmel, findet aber bereits in seinem Trauerjahr Gefallen an zwei jungen Damen, die seinen Blick verschämt erwidern. Mit wunderbaren Details schildert er auf kleinen Formaten Welten, die den Betrachter zum Schmunzeln bringen. So trägt der „Spätaufsteher“ auf seinem Nachthemd eine Art Orden und der „Schlafwandler“ sitzt am Dach mit einer Zeitung in der Hand. Etwas Ernst mischt sich in das Bild „Der Kranke und der Tod“, jedoch blickt der Tod beinahe schüchtern in den Raum, als ob er Angst vor dem Kranken hätte, der ihn mit ausgestreckten Armen sehnlichst erwartet.

Carl Spitzweg
Erfahrungen eines älteren Mannes" (vier Rundmedaillons)
€ 80.000 - 140.000

Welche Verwendung war wohl ursprünglich angedacht bzw. wo waren die Medaillons angebracht?

Der Verfasser des Spitzweg-Werkverzeichnisses Siegfried Wichmann vermutet, dass die Medaillons ursprünglich für eine Kassette oder einen Schreibschrank gedacht waren. Sie befanden sich in einem gemeinsamen Rahmen, welcher auch noch vorhanden ist.

Carl Spitzweg
Erfahrungen eines älteren Mannes" (vier Rundmedaillons)
€ 80.000 - 140.000

Sind die Arbeiten datiert, in welche Zeit sind sie einzuordnen?

Eines der Bildchen trägt die Jahreszahl 1837. Diese Datierung hat der Spitzweg-Spezialist Siegfried Wichmann übersehen und die Medaillons um 1845 eingeordnet. Die vier Medaillons stammen jedoch wohl alle aus der frühen Schaffensperiode des Künstlers, und sind daher als frühe Meisterwerke Spitzwegs zu betrachten.