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Die Kultur der Distanz

31.03.2021 / Sergius Pauser: "Kind mit Spielzeug"

Was an dem Bild ist typisch für den Stil der neuen Sachlichkeit?

Claudia Mörth-Gasser: Typisch sind der hartkantig-strenge Stil, die Schärfe der Umrisszeichnung, die detailgenaue Schilderung der Gegenstände und die nüchterne, distanzierte Darstellungsweise. Gleichzeitig ist die Komposition von Ruhe und Ordnung geprägt, die Erstarrung der Figur ist ein bestimmender Aspekt. Auch vom Motiv her finden wir typische Themen dieser Kunstrichtung wie das Abbilden eines Kindes und die stillebenhafte Platzierung der Spielzeuge.

Worum geht es den Künstlern?

Barbara Berger: Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Rückbesinnung auf das Gegenständliche als Reaktion auf den Krieg; die Sehnsucht nach Ruhe und Ordnung. Wichtig war auch die Distanz, die auf dem menschlichen Bedürfnis gründete, von den traumatisierenden Erlebnissen und sozialen Konflikten der Zwischenkriegszeit Abstand zu nehmen. Man wünschte sich eine Rückbesinnung auf die Welt des Sichtbaren, des Begreifbaren.

Andererseits ist diese Stilrichtung auch als Reaktion auf die expressionistische Malerei zu sehen. Zu dem Wilden, Gestischen bildeten die Maler der Neuen Sachlichkeit den Gegenpol. 

Wie ist der Malstil der neuen Sachlichkeit einzuordnen?

CMG: Die Rückbesinnung auf den Gegenstand ging einher mit Rückbesinnung auf malerische Traditionen.  Gerade Pauser war ein profunder Kenner der altmeisterlichen Technik, im speziellen der Lasurtechnik. Diese wurde ihm durch den berühmten Restaurator Max Dörner in München vermittelt. Diese besondere Technik nach dem Vorbild der Alten Meister verleiht den Bildern eine charakteristische Glätte der malerischen Oberfläche. In einem langwierigen Malprozess werden dünne Malschichten übereinandergelegt – auch das ist eine bewusste Abkehr von der Dynamik der Expressionisten!

Warum kommt diese doch kühle Abbildung der Wirklichkeit gerade jetzt wieder in Mode?

CMG: Eine interessante Parallele zur heutigen Zeit ist sicher die Kultur der Distanz. Denn diese haben wir heute wieder mit dem durch Corona bedingten social distancing. Damit entsprechen diese Werke gerade besonders unserem Zeitgeist.

Was an dem Bild lässt Sie persönlich innehalten?

BB: Man muss sich Zeit für die Betrachtung nehmen. Für mich vermittelt das Bild ein Gefühl von Ohnmacht und Schwermütigkeit. Zuerst ist man damit beschäftigt, alle Objekte zu erfassen, aber dann bleibt man an dem starren Blick des Kindes hängen, das so emotionslos wirkt. Es ist keine menschliche Regung erkennbar: Das Kind ist bloß ein weiterer Gegenstand in einer Fülle von Gegenständen.

(Alexandra Markl)