Auktionshaus

Der Aufstieg der Familie im 18. Jahrhundert

10.12.2020 / Antiquitäten

Thomas Schwanthaler

Sieben Generationen, 21 Bildhauer, 200 Jahre bildnerischen Schaffens – die Schwanthalers sind fraglos eine einzigartige Familie. Ihre Geschichte beginnt 1633 mit Hans Schwabenthaler (dessen Sohn änderte den Namen später auf Schwanthaler) im damals noch bayerischen Ried im Innkreis. Hans war – der strengen Zunftregeln wegen - nie Meister, im Hochzeitsbuch wurde er als bloßer „bildschnitzler“ bezeichnet.  Der Zugang zu handwerklichen Berufen war streng geregelt, die Zahl der Meister in einem bestimmten Gewerbe begrenzt. Erst die „Gerechtigkeit“ erlaubte die Ausübung des Handwerkes.

Trotz seiner zwanzigjährigen Tätigkeit schaffte Hans diesen Aufstieg nicht, dies gelang erst seinem Sohn. Von Hans‘ Werken sind nur wenige erhalten, mit Sicherheit lässt sich ihm ein Grablegungschristus aus 1641 zuordnen.

Thomas Schwanthaler

So ist Hans‘ Sohn Thomas der erste „berühmte“ Schwanthaler Meister. Mit 22 Jahren übernahm er 1656 die väterliche Werkstatt. Dank seines Studiums des menschlichen Körpers und der Kunstströmungen seiner Zeit gelang es ihm, einen eigenen Stil zu schaffen. Noch heute ist sein Skizzenbuch erhalten, zu dem auch seine Nachfolger griffen, darin enthaltene Ideen tauchen über die Jahrhunderte immer wieder auf.

Thomas Schwanthaler

Das Hochhalten der Qualität und der Kontinuität sind Gründe für die künstlerische Langlebigkeit der Schwanthalers. Eine entscheidende Regel war, dass die Werkstatt jeweils dem Fähigsten aus der jeweiligen Generation übergeben wurde.  Auch eine große Kinderschar war hilfreich: So hatte Thomas 15 Kinder aus zwei Ehen.

Thomas Schwanthaler, der erste Meister

Nur in jeder zweiten Generation gab es einen herausragenden Künstler. In der zweiten Generation war es Thomas, in der vierten Johann Peter der Ältere (sehen Sie auch die Christus-Skulptur unserer Auktion) und in der sechsten Ludwig Michael.  Damit sind die Kunst-Stile durch die Jahrhunderte vom Frühbarock über das Rokoko bis zum Klassizismus in der Schnitzkunst der Familie vertreten.

Johann Peter der Ältere, Bildhauer des Rokoko

Die ersten gesicherten Werke Johann Peters des Älteren sind die Seitenaltäre in Hohenzell, 1761/62 entstanden. Hier entdeckt man den Faltenwurf, die Drehung der Körper und die ausdrucksstarken Gesichter, die für die Schwanthaler’sche Werkstatt typisch sind.  Der Stil des Meisters war für alle Mitarbeiter verbindlich. Er entwarf den Bozzetto – ein Modell in Holz, Ton oder Wachs, demgemäß Gesellen und Lehrlinge das Grobwerk herrichteten. Dieses führte der Meister schließlich in seinem eigenen Stil aus.

Der Christus in der Auktion von Johann Peter dem Älteren kann mit jenem in der berühmten Kreuzigungsgruppe am Hochaltar in Ried im Innkreis verglichen werden. Die Figur wirkt, als würde sie am Kreuz eher liegen als hängen. Außerordentlich fein ausgearbeitet sind die Muskelpartien und Adern an den Armen und Beinen, ein Merkmal der Arbeiten Johann Peter des Älteren. Vorbilder für seine Figuren fand er in den Menschen seiner Heimat. Dazu gehören das ausdrucksvolle ovale Gesicht, die fliehende Stirn mit den tiefliegenden, vom Lid halbverdeckten Augen, und die schmale Nase mit ausgeprägten Flügeln. Das auf der rechten Seite gebundene und diagonal über die Schenkel wehende Lendentuch und die markant modellierten Rippen sind typisch für den Schwanthaler’schen Stil. Inspirieren ließ sich Johann Peter der Ältere vom bereits erwähnten Skizzenbuch des Thomas; er orientierte sich auch an Zeitgenossen wie Georg Raphael Donner.

Die Schwanthalers und ihre Zeit

Johann Peter der Ältere war ein Zeitgenosse Maria Theresias, Mozarts und Lessings. Zu seinen Lebzeiten löste das Rokoko den etwas schwereren, wuchtigeren Stil des Barocks ab und brachte Leichtigkeit und Zierlichkeit.

Auch Johann Georgs Arbeiten fallen in diese Epoche. Dies wird besonders in seinen Reliefs (sehen Sie auch die Reliefs in unserer Auktion) deutlich, wo ihn die feinsten Ausarbeitungen der Blätter und Menschen als einen Meister dieses Stils ausweisen.

Der Kaiser war wiederum ein Zeitgenosse von Johann Georg Schwanthaler. Bekannt für seine Reformen, fasste Joseph II. 1782 die Vermögen der Kirche in einen Religionsfonds zusammen und löste zahlreiche Klöster auf. Dies führte dazu, dass das geistliche Mäzenatentum nicht mehr liquide war - wohlhabende Kirchenmänner waren dem Kaiser seit jeher ein Dorn im Auge gewesen. Damit mussten die Schwanthalers ihre Kundenbasis erweitern. Dies gelang ihnen dank der Bürger und wohlhabenden Bauern der Umgebung, die Arbeiten für ihre Privatkapellen bestellten.  Zünfte und Bruderschaften zählten ebenfalls zur Klientel.  

Das Schaffen der Schwanthalers fand im 19. Jahrhundert ein Ende. Der letzte Schwanthaler in Ried starb 1838 ohne Erben, in München arbeitete Ludwig Michael Schwanthaler noch bis 1848. Viele Werke aus der langen Reihe der Bildhauer der Familie sind heute im Figurensaal des Volkskundehauses in Ried im Innkreis zu besichtigen.