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Auktion: Antiquitäten

27. November 2013, 17:00 Uhr

0282

Josef Kähsmann

(Wien 1784 - 1856 Fischau/Niederösterreich)

„"Psyche"“
Rom, datiert 1826
Carrara-Marmor; lebensgroße Darstellung der Göttin Psyche in dem Moment als sie unerlaubt das Gefäß der Proserpina öffnet, ihren rechten Arm hebt sie abwehrend über den Kopf, in ihrer Linken hält sie noch den Gefäßdeckel; ihr linkes Bein ist auf einen Felsen gestützt; rückseitig bezeichnet: "K. ROMAE / 1826."; auf gefasstem Holzsockel
H. 142 cm (ohne Sockel); H. Sockel 84 cm

Provenienz

ab 1830 Sammlung Fürst Rudolf Kinsky, Villa in Prag-Smíchov; ab 1901 im Palais Kinsky, Wien; von 1984 bis 1991 Fa. Polyair GmbH; seither deutscher Privatbesitz

Literatur

Abgebildet in: Wilhelm G. Rizzi, Hellmut Lorenz, Wolfgang Prohaska (Hg.), Palais Daun-Kinsky, Wien 2001, S. 239-243, Abb. S. 241

Steht unter dem Schutz des Bundesdenkmalamtes.

Schätzpreis: € 100.000 - 200.000
Auktion ist beendet.

„Ei, ich wäre doch eine Törin, wenn ich das göttliche Schönheitsmittel bloß trüge und mir nicht ein ganz klein wenig davon naschte, um vielleicht so meinem schönen Liebhaber zu gefallen.“ Mit diesen Worten öffnet Psyche in Apuleius Märchen von Amor und Psyche verbotenerweise die geheimnisvolle Büchse der Proserpina: „Aber nichts Greifbares und keine Schönheit war darin, sondern ein der Unterwelt entstiegener, wahrhaft stygischer Schlaf, der kaum vom Deckel befreit, sie überfällt, sich mit einem dichten, betäubenden Nebel über all ihre Glieder ergießt, derart dass sie auf dem Fleck, wo sie steht, mitten auf dem Weg zusammensinkt.“ Genau diesen Moment, als Psyche die Folgen ihrer Gier erkennt, im ersten Schreckmoment die Dose zu Boden fallen lässt und abwehrend den rechten Arm über den Kopf reißt, hat der Wiener Bildhauer Josef Kähsmann festgehalten.

Entgegen den meisten Skulpturen des zur Zeit des Klassizismus sehr beliebten Amor-und-Psyche-Sujets, konzentrierte sich Kähsmann auf die Gestalt der Psyche und deren Reaktion auf den Unglück bringenden Doseninhalt. Sie ist als antikisierende Schönheit nur mit einem Tuch um die Hüften bekleidet und mit den für sie charakteristischen Schmetterlingsflügeln wiedergegeben. Ihr kunstvoll in Locken gelegtes Haar wird über der Stirn von einem Diadem gehalten, in der linken Hand hält sie noch den Deckel des Elixiers. Das auf einem Felsen abgestützte linke Knie und das in Schrittstellung wiedergegebene rechte Bein korrespondieren zur Armhaltung. Kähsmann zeigt hier sein Können, Skulpturen dreidimensional, in einer raumübergreifenden, bewegten Pose, aber dennoch – ganz im Sinne des Klassizismus – in sich geschlossen zu komponieren. Die weiche, malerische Oberflächengestaltung, die er besonders in der subtilen Wiedergabe der Haut und der Draperie unter Beweis stellt, verdankte Kähsmann dem intensiven Studium der Werke von Antonio Canova (1757–1822), dem unbestrittenen Meister der Skulptur des Klassizismus.
Kähsmanns Ausbildung verlief zunächst im üblichen Rahmen: Zuerst lernte er bei seinem Vater Franz, danach ging er an die Wiener Akademie. In dieser Zeit gewann Kähsmann bereits einige Medaillen und Preise für Kopien nach antiken Statuen. In den Jahren 1823 bis 1829 lebte er als Pensionär der Wiener Akademie in Rom, wo er vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770–1844) gefördert wurde. Frucht dieser Protektion war etwa die prächtige Gruppe von Iason und Medea, die von Kaiser Franz I. selbst in Auftrag gegeben wurde und heute an der Botschafterstiege der Wiener Hofburg steht. Auch seine lebensgroße Darstellung der Psyche fällt in diese Zeit. Wie wichtig dem Künstler Rom als Entstehungsort war, spiegelt sich in seiner Bezeichnung an der Plinthenrückseite wider: „K.ROMAE.1826“ – nicht sein Name steht im Vordergrund, sondern Rom. Das fällt auch im Vergleich mit der Signatur an einem noch erhaltenen Umrissstich der Skulptur auf, die ausführlich angibt: „Jos. Kaehsmann inv. et fecit Rome 1826“.
Zurückgekehrt nach Wien durfte der inzwischen zum Professor ernannte Kähsmann seine Iason und Medea-Gruppe gemeinsam mit der Psyche und anderen Werken in den Räumlichkeiten der Wiener Akademie präsentieren. Sie fanden so große Bewunderung, dass der akademische Rat zu Staatskanzler Metternich meinte, „daß man es für die Pflicht hält, darauf aufmerksam zu machen, es wäre zu besorgen, selbe dürften bei der ersten Gelegenheit, wenn ein reicher Kunstliebhaber aus dem Auslande sie zu Gesicht bekomme, dem Vaterland entzogen werden, welches umso mehr zu bedauern wäre, als selbe als ausgezeichnete Früchte des von seiner Majestät huldreichst aufgemunterten vaterländischen Kunstfleißes in einem kaiserlichen Lokale zu Ehre des Vaterlandes aufgestellt zu werden verdienen“.
Kähsmann steckte zu diesem Zeitpunkt in finanziellen Schwierigkeiten, da die Bezahlung des kaiserlichen Auftrags auf sich warten ließ und seine aufwändigen und großen Marmorskulpturen hohe Materialkosten verursachten. Da kam es gerade recht, dass der Kunstliebhaber Rudolf Fürst Kinsky (1802–1836) auf der Suche nach einer repräsentativen Skulptur für das Stiegenhaus seiner neu errichteten klassizistischen Villa am Fuß des Laurenziberges in Prag-Smíchov war. Im Frühjahr 1830 kam es schließlich zum glücklichen Verkaufsabschluss und die Psyche ging in das Eigentum des Fürsten über. Kinsky erwarb sich mit dieser Skulptur ein Stück antiker Mythologie, die zu dieser Zeit in keinem Adelshaus fehlen durfte. In der Villa fand die Statue für die nächsten 70 Jahre ihren Aufstellungsort in einer prominent platzierten Mauernische am Ende des Treppenhauses. Erst 1901 wurde die Figur aus der inzwischen veräußerten Villa in das Wiener Palais auf der Freyung überführt, wo sie schließlich in einer Nische im Wintergarten für ein Dreivierteljahrhundert die fürstliche Familie und deren Besucher erfreute.

Doch wie ging die Geschichte von Amor und Psyche weiter bzw. wie nahm sie überhaupt ihren Anfang? Die Sage erzählt, dass die Königstochter Psyche aufgrund ihrer Schönheit als zweite Venus verehrt wurde, was die Göttin sehr erzürnte. Der Auftrag an ihren Sohn Amor, Psyche zu bestrafen, schlug jedoch fehl, da sich auch Amor in das schöne Mädchen verliebte. Dem Orakel Apollons folgend plante indessen Psyches Vater, sie auf einer Bergspitze mit einem Dämon verheiraten. Als Amor davon erfuhr, ließ er seine Auserwählte von Zephyr, dem Herrn der Winde, auf ein traumhaftes Schloss entführen. Psyche blieb im Glauben, dass Amor, der sich nicht zu erkennen gab, ihr neuer Ehemann war, der sie nur nachts aufsuchen konnte. Der Besuch ihrer beiden Schwestern bringt die tragische Wende in der Geschichte: Da diese neidisch auf Psyches Liebesabenteuer wurden, erzählten sie ihr, dass sich hinter dem wunderbaren Liebhaber ein grässliches Ungeheuer verberge und sie mitsamt ihrem noch ungeborenen Kind schon bald verschlingen werde. Sie rieten ihr, ihm mit der Gräueltat zuvorzukommen und das Scheusal nachts im Schein einer Öllampe mit einem Messer zu töten.
Schon bald war Psyche zur Tat bereit. Als sie jedoch erkannte, wer schlafend vor ihr lag und sie sich in der Aufregung mit einem von Amors Liebespfeilen verletzte, vergaß sie alle Ratschläge der bösen Schwestern und geriet in einen Liebestaumel. Dabei stieß sie unachtsam an die Lampe, sodass etwas Öl auf Amors Schulter fiel und er erwachte. Voll Schrecken und Enttäuschung über ihr Misstrauen floh Amor. Psyche irrte daraufhin rastlos auf der Suche nach ihm durchs Land. In ihrer Verzweiflung trat sie sogar bei der noch immer vor Eifersucht rasenden Venus den Dienst als Magd an. Diese gab ihr allerlei, kaum zu erfüllende und gefährliche Aufgaben, die sie nur dank Amor, ihrem unsichtbaren Beschützer, unversehrt bewältigen konnte. Nur der letzte Auftrag wurde ihr zum Verhängnis: „Aber noch diesen Dienst, mein Püppchen, wirst du mir leisten müssen: nimm hier diese Büchse […] und begib dich stracks zur Unterwelt und dem Totenhaus des Orkus selber! Dann reiche Proserpina die Büchse und sage: ‚Venus bittet dich, ihr ein Quentchen von deiner Schönheit zu schicken, wenigstens so viel, als für ein einziges Täglein reicht. […].‘ Aber kehre ja nicht zu spät zurück, denn ich muß mich damit schminken, weil ich die Götterversammlung besuchen will.“
Was danach geschah, wissen wir ja bereits – Psyche überhörte die gut gemeinten Worte („hüte dich, die Büchse in deinen Händen zu öffnen oder hineinzuschauen oder überhaupt den verborgenen Schatz göttlicher Schönheit allzu neugierig in Augenschein zu nehmen“ ) und fiel in einen Dornröschenschlaf. Glücklicherweise eilte jedoch Amor herbei und brachte sie in den Olymp. Da sich die Götter letztendlich einig darüber waren, dass das Mädchen für ihre Liebe ausreichend gelitten hatte, durfte Amor endlich seine Geliebte heiraten und Psyche wurde unsterblich. Ihre gemeinsame Tochter nannten sie Voluptas, die Wollust. Psyche selbst aber ist zum Sinnbild der Seele geworden.
(Roswitha Holly, Auszug aus dem Beitrag "„Ei, ich wäre doch eine Törin… - Josef Kähsmanns Allegorie der Seele," Journal im Kinsky, Nr. 3, Dezember 2013)