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Auktion: Antiquitäten

27. November 2013, 17:00 Uhr

0237

„Segenrolle des Franz Ferdinand von Rummel“
Wien, 1706-1711
Pergament, beidseitig mit Feder und Pinsel bemalt, beschrieben, zusammengeklebt und gerollt; Darstellungen von verschiedenen Zauber- und Segensiegeln zur Anrufung von Erzengeln, Aposteln, Evangelisten, Propheten, Planetengöttern, verschiedenen Gottesnamen, Nennung der 4 damals bekannten Kontinente; bei einem besonders großen Zaubersiegel in der Mitte der Rolle dürfte es sich wohl um eine Art Teufelsbann handeln: der Name Lucipher Mephistophiles ist spiegelverkehrt geschrieben und er hebt sich dadurch, wie auch durch die rote Schriftfarbe von den mit ihm genannten Heiligennamen ab, außerhalb des Siegels korrespondieren formal dazu die Worte "Amicus Meus Servus Exsisto"; einige der Siegel und Medaillons sind mit szenischen Darstellungen versehen (Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, Erzengeln, Christus, Planetengötter, Porträts von Franz Ferdinand von Rummel, Kaiser Josef I. und dem späteren Karl VI. etc.); in den Siegeln und zwischen diesen Zitate aus dem Neuen Testament, Segenformeln und Gebete in deutscher und lateinischer Sprache; in einer späteren Lederschatulle; geringe Abnützungsspuren
L. 4,20 m; B. 12,8 cm

Provenienz

nach mündlicher Überlieferung des Vorbesitzers stammt die Rolle aus dem Besitz der Familie Schönborn; danach Wiener Privatsammlung

Literatur

Vergleiche: Zauberrolle in der Sammlung Kriss, Bayrisches Nationalmuseum München, Inv.Nr. K A 660, siehe dazu: Liselotte Hansmann, Lenz Kriss-Rettenbeck, Amulett und Talisman, München 1977, S. 232, Abb. 400

Schätzpreis: € 15.000 - 30.000
Ergebnis: € 25.600 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

In Österreich und Deutschland sind abgesehen von dieser Rolle nur fünf weitere Exemplare aus dem 17. und 18. Jahrhundert bekannt (Stift St. Lambrecht, Steirisches Volkskundemuseum, Kärntner Landesarchiv, Privatbesitz Tübingen und Bayrisches Nationalmuseum, Sammlung Kriss). Zum Unterschied zu der vorliegenden Rolle enthalten diese keine genaue Zeitangabe. Sie sind auch ohne figürliche Malerei, sondern hauptsächlich mit Text und Zaubersiegeln ausgestattet. Die Abnützungsspuren deuten darauf hin, dass die Rollen auch wirklich in Gebrauch waren und wahrscheinlich vom Besitzer wie ein Amulett immer bei sich getragen wurden. Der Träger erhoffte sich durch die apotropäische (unheilabwehrende) Wirkung der Siegel, Segen- und Gebetsformeln Schutz vor dem Bösen. Die Rollen stehen sicherlich in der Tradition der damals streng verbotenen Zauberbücher. Dass es sich bei den Besitzern solcher Amulette jedoch zweifelsfrei um gläubige Menschen gehandelt haben muß, spiegelt sich eindeutig im Wortlaut und den Darstellungen wider.

Der ursprüngliche Besitzer dieser Segenrolle war der Wiener Fürstbischof Franz Ferdinand von Rummel. Rummel war nicht nur Fürstbischof, sondern auch Lehrer von Kaiser Josef I. und dessen Bruder Karl, dem späteren Kaiser Karl VI. Eine seiner öffentlichkeitswirksamen Taten war die Herstellung der Pummerin von St. Stephan - er ließ die große Glocke 1711 aus den Kanonenkugeln der zweiten Türkenbelagerung gießen.

Die Rolle, der wohl von Anfang an ein konkretes Konzept mit autobiografischem Hintergrund zugrunde lag, ist von großer christlicher Frömmigkeit und Treue zum Kaiserhaus geprägt. Dies wird einerseits in den Texten und in der ehrfurchtsvollen Anrufung Gottvaters, andererseits in den religiösen Darstellungen spürbar. Die Nähe zur weltlichen Macht zeigt sich in der mehrfachen Nennung und Darstellung seiner beiden Schüler Josef I. und Karl um deren Segenheil er ebenfalls bittet. Franz Ferdinand von Rummel wird nicht nur namentlich und in der Ich-Form in Gebeten und Siegeln genannt, sondern ist auch immer wieder in den gemalten Medaillons dargestellt (bei der Geburt Christi, betend am Kreuz Christi, bei der Kommunion, mehrmals zusammen mit Josef I. und Karl, in seiner Tätigkeit als Bischof etc.), die vermuten lassen, dass er zum Teil für ihn bedeutende Begebenheiten aus seinem eigenen Leben dokumentieren wollte. Wer der Verfasser dieses Amuletts war ist leider nicht überliefert. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass Rummel selbst die Texte geschrieben hat. Ob die qualitätiv sehr gut gemalten Bildmedaillons auch von seiner Hand stammen oder eine Auftragsarbeit waren, liegt im Bereich des Spekulativen.

Die Datierung der Rolle ist anhand der Darstellung Franz Ferdinands von Rummel bei der Geburt Christi im Kreise der Heiligen Familie mit den Worten "Jesus Maria Joseph und ich Franciscus Ferdinandus Bischoff zu Wien" und der Nennung von "…meinen allergnädigsten Kayser […] Josephum den ersten" an anderer Stelle möglich: Da Rummel erst 1706 zum Bischof ernannt wurde und die Regierungszeit Josef I. 1711 endete, ergibt sich für die Entstehung eine zeitliche Einschränkung von 1706 bis 1711.
Literatur: Günther Biermann und Heimo Schinnerl, Volksglaube Beschwörung Segensformel. Magische Vorstellungen und Praktiken aus 3 Jahrhunderten, in: Ehrentaler Museumsschriften, Bd. 6, Ehrental 2001