Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

08. Oktober 2013, 17:00 Uhr

0262

Heinz Stangl*

(Wien 1942 - 2008 Wien)

„o. T.“
ca. 1975
Zeichnung mit Graphit auf Papier
110 × 74 cm (gerahmt)
Signiert unten mittig: Heinz Stangl, 1980

Schätzpreis: € 3.000 - 5.000
Ergebnis: € 4.620 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Ausgewählt von Prof. Peter Baum

Heinz Stangl war ein exzellenter Zeichner und ein guter Maler. Da wie dort liebte er das formale Abenteuer und peilte, gestützt auf ein solides handwerkliches Fundament, kühne, wagemutige Kompositionen an. Hinsichtlich Bildgestaltung, formaler Anforderungen und Inhalt liebte er eine stets aufrührerisch anmutende, „windige“ Vielschichtigkeit.
Die oft inflationär gebrauchte Bezeichnung eigenständig trifft auf sein figurativ ausgerichtetes Oeuvre voll und ganz zu. Stangls feinnervige, mitunter kapriziöse Bildfindungen sind aber auch eigenwillig und in ihrer Umsetzung stilbildend an einem Menschenbild orientiert, das vor allem den Aufbruchsbestrebungen der 1960er und 1970er Jahre entsprach.
Stangl war Mitglied der von Otto Breicha mannigfach unterstützten Wiener Künstlergruppe „Wirklichkeiten“ und stellte mit Martha Jungwirth, Peter Pongratz, Franz Ringel und den anderen seit der ersten gemeinsamen Kollektive in der Wiener Secession (1968) wiederholt aus. Mit Ringel und dem Experimentalmusiker Dieter Kaufmann (multimedial unterstützt von Erwin Piplits und Gunda König) nominierte ihn der als Österreichs Kommissär fungierende Adolf Frohner 1971 für die Biennale de Paris.

In die beste, fruchtbarste Periode seines die Druckgraphik stets einbeziehenden graphischen Schaffens fällt auch die hier angebotene Zeichnung: ein exzellent durchkomponiertes großes Blatt, ganz im Stil seiner vielschichtigen figürlichen vexierbildähnlichen Arbeiten mit Graphit.
Stangls Umsetzungsvermögen garantiert ein lebendiges, kaum enden wollendes Schauerlebnis. Um voll auf die Rechnung zu kommen verlangt es der Sensibilität des Betrachters das ab, was der Künstler selbst in die Arbeit hineingelegt hat. Punkto Komposition und ihrer verhaltenen Koordinaten spielt das Blatt ebenso alle Stücke wie hinsichtlich seines auf allerfeinsten Strichgefügen aufbauenden Nuancenreichtums, der aus der stupend beherrschten Beschränkung des Künstlers auf das reine Schwarzweiß resultiert: die im Vordergrund links stehende größere Figur korrespondiert mit den ihr rechts unten gegenübergestellten kleineren Musikanten. Zwischen der irritierten Trommlerin und dem großen Kopf links oben liegt ebenso eine spürbare Beziehungsebene wie zu der Frau im Lehnstuhl vor den kleinen Fensterdurchblicken über ihr. Bewegung und die Starre des Moments sprinten um die vermeintliche Vorherrschaft einer unverwechselbaren Abbreviatur, die nicht zur Ruhe kommt.

P e t e r B a u m