Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

08. Oktober 2013, 17:00 Uhr

0138

Markus Lüpertz*

(Liberec 1941)

„Kreuzigung“
1958
Öl auf Leinwand
115 × 160 cm
Signiert rechts unten: Markus Lüpertz

Literatur

Mennekes Friedhelm und Röhrig Johannes, Crucifixus. Das Kreuz in der Kunst unserer Zeit, Freiburg im Breisgau, 1994, Abb. S. 89; Markus Lüpertz, Das Kreuz. Zwischen Zeichen und Symbol, S. 90

Schätzpreis: € 35.000 - 70.000
Auktion ist beendet.

Eines der wichtigsten Motive in den Bildern von Markus Lüpertz ist das Kreuz. Als Zeichen und Symbol durchzieht es alle Phasen seiner bisherigen Arbeit. Während seines Klosteraufenthalts entstehen die ersten Kruzifikationen. In ihnen spielt die traditionelle ikonographische Komposition noch eine starke Rolle. Die "Kreuzigung" aus dem Jahr 1958 zeigt das antike Marterwerkzeug, das mit drei hängenden Körpern in Verbindung steht. Erinnerungen an Darstellungen der abendländischen Kunstgeschichte werden wach: der gekreuzigte Christus in Begleitung seiner Mitopfer, der Schächer. Unter dem Kreuz steht eine trauernde Figur, der sich ein Gemarterter zuwendet. In dieser Parallelität erschöpfen sich jedoch die Gemeinsamkeiten zwischen den Vorbildern und Lüpertz' Kreuzigung. Diese macht nur ein Holzgerüst deutlich sichtbar; ein zweites scheint über einen vertikalen Balken angedeutet. Der Maler bringt die drei Gepeinigten mit unterschiedlicher Deutlichkeit ins Bild. Der Betrachter entdeckt in der Mitte der Dreierkonstellation einen herabgesunkenen Körper, von dem nur noch der Kopf und der ausgemergelte Rumpf zu sehen sind. Wie sein Nachbar zur Rechten, der noch aufrecht hängt, bleibt er gesichtslos. Lediglich ihre Körper können das Leiden noch zum Ausdruck bringen. Ihre weniger ausgearbeitete Gestaltung und ihre Stellung im Bildganzen weisen sie als Randfigur aus.
Der Blick konzentriert sich auf den linken Gekreuzigten, der im Zentrum des Bildes steht. Lüpertz gibt ihm aber nicht nur über diese Zentralisierung einen anderen Stellenwert. Sein Korpus hängt nicht wie die anderen in aufrechter Haltung am Kreuz. Er beugt sich nach links zur trauernden Figur unter ihm. Sein linker Arm verschmilzt mit dem Querbalken, der Bauch und das linke Bein scheinen am Längsbalken befestigt. Der Gekreuzigte ist nicht in frontaler, sondern in seitwärts gedrehter Position gezeigt. Kreuz und Körper bilden keine Einheit mehr. Der überdimensional lange rechte Arm endet in weit gespreizten Fingern. Er weist parallel zum Längsbalken des Kreuzes nach unten. Zusammen mit dem anderen, an den Querbalken geschlagenen Arm markiert er eine zweite Kreuzformation. An deren Schnittpunkt treffen sich Rumpf und Kopf. Im Gegensatz zu seinen Leidensgenossen trägt das Gesicht Christi deutliche Spuren des Schmerzes. Der geöffnete Mund und seine Hand scheinen sich hilfesuchend an die statisch wirkende Figur unter ihm wenden zu wollen. Ihr Antlitz und ihre Körperhaltung verschließen sich im Leid. Lüpertz schafft in ihr ein Gegengewicht zu den beiden statuarischen, nur schemenhaften Gestalten in der rechten Bildhälfte. Mit diesem komposiorischen Mittel gelingt es ihm, den Blick des Betrachters noch stärker auf den in der Bildmitte Gekreuzigten zu bündeln.
Lüpertz zitiert in dieser Darstellung zwar Elemente der ikonographischen Tradition, wandelt sie jedoch ab: Der biblische Christus bildet nicht mehr das Zentrum der Kreuzigungsgruppe, nur ein Kreuz ist deutlich ausgeführt. Die Körperhaltung Christi wirkt, als wolle er vom Kreuz hinabsteigen. Im Unterschied zu den beiden anderen, schon in Apathie und Leblosigkeit erstarrten Gekreuzigten, bäumt er sich noch einmal zum Leben auf. So bleibt er noch in der Agonie des Hoffnungsträgers.
(Markus Lüpertz in: Das Kreuz. Zwischen Zeichen und Symbol, S. 90)