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Auktion: Antiquitäten

20. Juni 2013, 18:00 Uhr

0522

Judocus de Vos

(tätig 1700 - 1721 in Belgien)

„Tapisserie“
Brüssel, um 1710
395 × 310 cm

Schätzpreis: € 45.000 - 70.000
Auktion ist beendet.

Judocus de Vos
(tätig 1700-1721 in Belgien)
Museale Tapisserie aus der "Feldzugsfolge"
Brüssel, um 1710
darstellend den "Feldzug" ("La Marche") wohl nach Entwürfen von Jan van Huchtenburgh; im Vordergrund rechts der Feldherr mit seinem Gefolge zu Pferd, im Hintergrund Landschaftsausblick mit langem Feldzug; von reich gefüllter Trophäenbordüre umrahmt; nahezu perfekter Erhaltungszustand, jedoch in der Hälfte reduziert; sehr hohe Qualität; 395 x 310 cm

Provenienz: 183. Auktion Neumeister München 21.9.1978; seither deutscher Privatbesitz
Vergleiche: u. a. Tapisserien-Zyklus im Neuen Schloss Schleißheim (Oberschleißheim); Tapisserien für August den Starken im Schloss in Dresden; Serie für den Herzog von Malborough im Blenheim Palace

Die "Feldzugsfolge" geht auf eine längere Tradition von Schlachtenbildern zurück, die in der 1. Hälfte des 18. Jahrhundert auf dem Gebiet der Webereikunst ihren Höhepunkt erreichte. Direkter Vorläufer zu dieser Serie war eine Ende des 17. Jahrhunderts von Le Clerk nach Entwürfen von Lambert de Hondt im Auftrag des niederländischen Statthalters Kurfürst Max Emanuel von Bayern ausgeführte Folge über die Kriegskunst. Die vierteilige Tapisseriefolge hängt zusammen mit der etwas späteren, 14 Szenen umfassenden "Feldzugsfolge" im Schloss Schleißheim in München. Initiator letzterer Folge dürfte Prinz Eugen von Savoyen gewesen sein, der um 1710 von seinem Hofmaler Jan van Huchtenburgh - in Anlehnung an die ältere Serie - Tapisserien für sein Stadtpalais in der Wiener Himmelpfortgasse entwerfen ließ. Seiner heute nur mehr in 3 Szenen nachweisbaren Tapisserienserie folgten noch mindestens 10 weitere Serien, die im Besitz von Herrschern und Feldherren des allierten Lagers im Spanischen Erbfolgekrieg waren (u. a. für Kurfürst Max Emanuel/Schloss Schleißheim München, Herzog von Malborough/Blenheim Palace, August der Starke/Dresdner Schloss, Kölner Kurfürst, Erzbischof Clemens August). Die Anzahl der Szenen variiert sehr stark, wobei nicht bekannt ist, wieviele tatsächlich ausgeführt wurden bzw. im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen sind. Im Großen und Ganzen handelt es sich immer wieder um Wiederholungen derselben Themen (so z. B. "Campement", "La Marche", "Fachinade", "Pillage", "La Halte"). In Details - vor allem was die oftmals porträthaft dargestellten Akteure und die Bordüren anbelangt - weichen diese jedoch zum Teil voneinander ab. Ausführende Manufaktur war jene von Judocus de Vos in Brüssel, die aufgrund ihrer langen Tradition und dem ausgezeichneten Handwerk ganz dem hohem Qualitätsanspruch Prinz Eugens enstprach.
Aus welcher Serie die angebotene "La Marche"-Tapisserie stammt, ist uns leider nicht bekannt. Durch die Reduzierung der Größe auf die Hälfte ging auch das möglicherweise am oberen Bordürenrand vorhandene Wappen auf der (nicht mehr sichtbaren) Standarte verloren, das Rückschlüsse auf den Auftraggeber zulassen könnte. Ob vielleicht die Wappen auf der kleinen Fahne und am Leinenbeutel (Freundschaftswappen Prinz Eugens und Max Emanuels?) am unteren Randabschluss sowie das Wappen auf der rechten Bordüre Hinweise auf die Provenienz geben könnten, bedarf noch einer näheren Untersuchung.
Literatur: Walter Schott, Die Feldzugsfolge. Eine Tapisserie-Serie nach Entwürfen von Jan van Huchtenburgh gewirkt von Judocus de Vos in Brüssel, Stuttgart 1985