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Auktion: Antiquitäten

17. April 2012

0020

Hans Leinberger Umkreis

(tätig in Landshut um 1510 - 1530)

„Madonna mit Kind“

Schätzpreis: € 35.000 - 55.000
Auktion ist beendet.

Hans Leinberger Umkreis
(um 1480-1531 oder wenig später)
Madonna mit Kind
Süddeutschland, um 1520
Lindenholz, vollrund geschnitzt, ursprünglich gefasst; Darstellung der stehenden Muttergottes mit dem Christuskind am Arm; meisterhafte Bildhauerarbeit; originaler Sockel mit gotischen Maßwerkmotiven; leicht fragmentiert;
H. 53 cm

Provenienz: österreichischer Privatbesitz

Die nahezu komplett erhaltene Rundplastik der Muttergottes zeigt ein hohes Maß an technischem Können, das der Bildhauer in höchster Qualität künstlerisch umsetzte. Maria ist als junge, hübsche Frau dargestellt. Das in meisterlicher Schnitzarbeit ausgeführte lange, lockige Haar wird über der sehr hohen Stirn von einem in sich gedrehten Haarband gehalten und fällt am Rücken zu mehreren Bündeln herab. Den Kopf hält sie leicht geneigt, so als wollte sie dem auf ihrer linken Hand sitzendem Kind näher sein. Ihr bodenlanges Kleid und der vorne spitz zulaufende Mantel sind in zahlreiche, bauschige Falten gelegt, die in Kontrast zu der sehr beruhigt wirkenden Frauengestalt treten. Auf ihrer linken Seite bildet der Mantelsaum eine große Ohrmuschelfalte, die die Bewegung des Gewandes unterstreicht und dem Mantel ein Eigenleben bereitet. Besonders diese dramatische Faltengebung lässt an die Arbeiten des süddeutschen Bildhauers Hans Leinberger denken. Aber auch die hohe Stirn über dem edlen Antlitz und der in die Haare gesteckte Reif erzeugt Reminiszenzen an Werke dieses Meisters (Vergleiche sog. Rosenkranzmadonna aus dem Martins-Münster in Landshut).

Hans Leinberger, oder auch Lemberger genannt, gilt als der bedeutendste Bildhauer der Spätgotik in Altbayern und einer der größten seiner Zeit. Über seinen Geburtsort und die künstlerische Herkunft ist nichts bekannt, nur soviel dass er sich um 1510 in Landshut niederließ. Dort fertigte er ab 1516 für den Mitregenten Herzog Wilhelms IV., Herzog Ludwig X. einige Arbeiten an. Wie höhere Zahlungen untermauern, ist anzunehmen, dass seine damalige Stellung jener eines Hofkünstlers gleichte.

Als sein Hauptwerk gilt der Hochaltar des Kastulus-Münsters in Moosburg an der Isar (vollendet 1514), dem größten erhaltenen Altarretabel Altbayerns. Eine weitere wichtige Arbeit ist das 1513 datierte Anna-Selbdritt-Reliefs in der Kirche St. Johann im Gnadenthal im Gnadenthalkloster in Ingolstadt. Zu dieser Zeit dürfte der Bildhauer bereits einen sehr guten Ruf innegehabt und sich zahlreicher Aufträge erfreut haben. So wurde er etwa auch 1514 mit der Ausführung der Bronzestatue des Grafen Albrecht IV. von Habsburg nach einem Entwurf von Albrecht Dürer für das Grabmal Kaiser Maximilians in der Innsbrucker Hofkirche betraut. Dieser Auftrag war selbstverständlich für sein ohnehin schon hohes Ansehen zusätzlich förderlich. Seinen Höhepunkt erreichte Leinberger schließlich Ende der 30er Jahre mit der ehemaligen Rosenkranzmadonna von St. Martin in Landshut (um 1516/18?) und der Sitzfigur eines heiligen Jodok für die zweite Pfarrkirche der Stadt (um 1525?; heute: München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. 15/114). Zu seinen letzten archivalisch belegten Werken zählen die Altarfiguren des ehemaligen Hochaltars der Liebfrauenkirche in Polling, wobei nur die thronende Muttergottes (Kloster Polling) und der Schmerzensmann (Weilheim, Stadtmuseum, Inv.-Nr. B 165) erhalten sind.
Hans Leinbergers in Holz, Metall oder Stein ausgeführten Werke waren Vorbild für viele zeitgenössische und nachfolgende Künstler. (RH)
Vergleiche: Lothar Schultes, in: Gotikschätze Oberösterreich, Linz 2002, S. 304-306