Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

20. Juni 2024, 14:00 Uhr

5049

Günter Brus*

(Ardning 1938 - 2024)

„o.T. (Aktionszeichnung)“
1965
Graphit auf Papier; gerahmt
48,7 x 34,9 cm (Blattmaß)
Signiert und datiert rechts unten: März 65 Brus

Provenienz

österreichischer Privatbesitz

Schätzpreis: € 10.000 - 20.000
Meistbot: € 22.000
Auktion ist beendet.

In den 1960er-Jahren beginnt Günter Brus den eigenen Körper in den Mittelpunkt seiner Kunst zu stellen. In Zeichnungen bereitet er die daraufhin folgenden Aktionen vor, begleitet und erweitert sie. Die künstlerischen Wurzeln liegen im expressiven Realismus eines Egon Schiele, der in der schonungslosen Beschäftigung mit dem Individuum, mit dem Selbst, den Nährboden für die kommenden Generationen bereitet. Günter Brus „radikalisiert Schieles Analyse des Ichs.“ (https://www.leopoldmuseum.org/de/ausstellungen/96/schiele-brus-palme, aufgerufen am 10.5.2024)

Vorliegend ist eine äußerst seltene frühe, im Verhältnis zu späteren Arbeiten großformatige Aktionszeichnung, die 1965 drei Jahre vor der legendären Performance „Kunst und Revolution“ im Hörsaal 1 des neuen Institutsgebäudes der Universität Wien entstanden ist. Diese als „Uni-Ferkelei“ betitelte Aktion verursacht einen großen Skandal und führt zu einer Verurteilung Günter Brus‘, woraufhin er aus Österreich flüchtet und sich für einige Jahr in Berlin niederlässt.

Mit dynamischem Strich erfasst der Künstler den geschundenen, ausgemergelten Körper, zeigt sich selbst als brutal gefoltertes und verstümmeltes Individuum. Das kreatürliche Leiden wird zusätzlich durch die Haltung, die an einen Gekreuzigten erinnert, verstärkt. Grausam ist die Brutalität der Darstellung mit den aus dem Unterleib hervorquellenden Gedärmen, Folgen einer Sektion am lebendigen Leib. Drastischer kann man das Ausgeliefertsein an ein Dasein, das doch nur den Tod bringt, nicht darstellen. Gleichzeitig ist es auch ein Aufschrei, ein Protest gegen die Gleichgültigkeit und Scheinheiligkeit einer Welt, in der der Einzelne allein gelassen wird mit seinen Ängsten, Zweifeln und seiner Wut. „jede norm wird gebrochen, jedes maß verletzt, jede ziellosigkeit gebilligt.“ (https://www.parnass.at/termine/guenter-brus-wie-mit-dem-skalpell, aufgerufen am 10.5.2024)

Die Aktionszeichnungen von Günter Brus zeigen die potenziell uneingeschränkte Grausamkeit, die auf einen Menschen einwirken kann. Unabhängig von den Aktionen bergen sie als autonome Arbeiten „eine Intensität und existenzielle sowie politische Kraft, die seit 50 Jahren nichts an Aktualität und Wirkmächtigkeit verloren hat.“ (Parnass, s.o.)

(Sophie Cieslar)