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Auktion: Alte Meister

19. Juni 2024, 14:00 Uhr

3030

Domenico Fetti

(Rom 1589 - 1623 Venedig)

„Adonis“
um 1613
Öl auf Leinwand; geschnitzter und vergoldeter Rocaille-Rahmen (Wien, um 1730/40)
100 x 72 cm

Provenienz

wohl um 1613 direkt in Rom beim Künstler beauftragt von Kardinal Ferdinando Gonzaga (1587-1626), später Herzog von Mantua und Montferrato;
wohl dessen Sammlung im Palazzo Ducale, Mantua;
wohl ab um 1630/31 Sammlung des Feldmarschalls Johann von Aldringen (1588-1634), Wien;
wohl durch Erbschaft weiter im Besitz der Nachkommen von Johann von Aldringen, Wien;
Privatbesitz, Wien (laut einem Foto in der Witt Library, London (vgl. Expertise Safarik): Alfred Scharf, Wien);
Versteigerung Dorotheum, Wien, 27. Februar 1936, Nr. 9, Abb. Tafel 1 (als Domenico Feti, "Der jugendliche Esau");
durch Erbschaft seit mehreren Generationen in Privatbesitz, Wien

Literatur

Eduard A. Safarik, Fetti: l’Opera Completa, Mailand 1990, S. 243-45, Kat.-Nr. 107 (mit Abb.)

Expertise von Prof. Dr. Eduard A. Safarik, Rom, 9. November 2009, liegt bei.

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Meistbot: € 45.000
Auktion ist beendet.

Prof. Eduard Safarik hatte das Gemälde bereits 1990 in seinem umfassenden Werkverzeichnis zu Domenico Fetti anhand von alten Schwarzweißfotos als eigenhändiges, bislang unbekanntes Werk Domenico Fettis publiziert. 2009 konnte er es zudem erstmals in Wien im Original begutachten und hat ein ergänzendes Schreiben dazu verfasst, in welchem er den vorzüglichen Erhaltungszustand des Gemäldes unterstreicht: Die Malschicht befindet sich im optimalen Erhaltungszustand, die feinen Lasuren in der Oberfläche wurden bei der Restaurierung nicht verputzt, die delikate Farbigkeit behielt ihre ursprüngliche Transparenz und Pinselstriche, welche charakteristisch für ein unzweifelhaft in Rom entstandenes Frühwerk Domenico Fettis sind. („ho potuto esaminare accuramente in casa Sua il dipinto, fortunatamente in ottimo Stato di conservazione, rifoderato e sottoposto negli ultimi anni ad una leggera e competente pulitura della superficie pittorica, che han conservato tutta la sua freschezza, finissime velature, il colorismo delicato e armonioso ele tipichesciolte pennellate, caratteristiche di un autografo di Domenico Fetti, risalente indubbiamente al period giovanile dell’artista trascorso a Roma”). Des Weiteren erörtert Eduard Safarik ausführlich die Entstehungs- und wahrscheinliche weitere Besitzgeschichte des Gemäldes:

Das Gemälde wird als bedeutendes Frühwerk um 1613 in Rom geschaffen. Eine Zeit, in welcher noch die Einflüsse seines ersten Lehrmeisters Ludovico Cigoli (1559-1613) spürbar sind, Fetti sich jedoch schon von ihm unabhängig zu emanzipieren beginnt. Acht weitere Gemälde aus dieser Periode sind dokumentiert: ein „Heiliger mit Krone“, eine Serie von sechs „Heiligen Märtyrern“ (heute im Palazzo Ducale, Mantua) und ein „David mit dem Haupt des Goliaths“ (vgl. Safarik 1990, Kat. Nr. 57, 58-62, 5). Zu des Künstlers größten Förderern in Rom zählte Kardinal Ferdinando Gonzaga (1587-1626), welcher nach dem unerwarteten Tod seines älteren Bruders, Francesco IV. Gonzaga (1586-1612) und der Regierungsübernahme des Herzogtums seine Sammlung mit nach Mantua nahm.
Bei der Einnahme Mantuas durch kaiserliche Truppen im Jahre 1630/31 sicherte sich vor allem Feldmarschall Johann von Aldringen (1588-1634) die meisten und bedeutendsten Kunstschätze aus dem berühmten Palazzo Ducale und verbrachte diese nach Wien. Ob vorliegendes Gemälde daraufhin in Wien bei den Nachkommen des 1634 verstorbenen Johann von Aldringen verblieb und später verkauft wurde oder wie andere Teile der Kunstsammlung nach 1636 in das durch kaiserliche Treue geschenkte Schloss Teplitz, Nordböhmen, verbracht wurde und 1778 wiederum von preußischen Truppen eingenommen wurde, kann heute nicht eindeutig rekonstruiert werden. Der weitere Verbleib des Werkes in Wien erscheint laut Eduard Safarik jedoch höchstwahrscheinlich, u.a da auch der bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gefertigte, prunkvoll geschnitzte und vergoldete Rocaille-Rahmen sicherlich aus der kaiserlichen Hauptstadt stammt.

Das Gemälde selbst zeigt ein für damalige Verhältnisse seltenes Sujet, die Idealfigur des jugendlich und zugleich männlich erscheinenden Adonis – ein Thema welches in der Vergangenheit zu Missinterpretationen der Darstellung als „jugendlicher Esau“ oder „David“ führte. Letzterer wurde von Domenico Fetti ebenfalls in mehreren Fassungen verarbeitet, u.a. in dem oben erwähnten Frühwerk (Safarik 1990, Kat.-Nr. 5) oder dem heute in der Gemäldegalerie Dresden befindlichen Gemälde „David mit dem Haupt des Goliaths“ (Abb. 1) bzw. der ehemals in einer Stockholmer Privatsammlung befindlichen Fassung, welche 2014 in New York versteigert wurde (Christie’s New York, 4. Juni 20, Lot 2; Safarik 1990, Kat.-Nr. 7 & 7b). Ein weiteres „Adonis“-Gemälde, welches jedoch wohl als Variante des vorliegenden Gemäldes in der Werkstatt Fettis fertiggestellt wurde, befindet sich heute im Museum von Ostrava, Tschechien. Es war ursprünglich in der rund 20 Gemälde Fettis umfassenden Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich (1614-1662) und wurde in dessen Inventar von 1659 ebenfalls irrtümlich als „David“ beschrieben: „Ein Stuckh (…) warin Dauidt (…) mit einem langen Stab vnndt ein Tigerhaut (…)“ (Safarik 1990, Kat.-Nr. 108).
Das vorliegende Gemälde ist eindeutig als „Adonis“, Inbegriff männlicher Schönheit, der sowohl Zeus als auch Aphrodite bezauberte, zu identifizieren. Der mit Knospenbinden gezierte Stock, welcher im Frühjahr blüht, steht als Sinnbild für die für die fruchtbare Vegetation; der den Jüngling bekleidende Wildschweinpelz hingegen steht für den Winter bzw. die Vorhersehung seines tragischen Endes. Denn der Überlieferung nach wird Adonis von Ares, dem Geliebten der Aphrodite getötet, indem dieser sich in einen wütenden Eber verwandelte (vgl. Expertise Eduard Safarik 2009).