Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

27. November 2023, 14:00 Uhr

0113

Gustav Klimt

(Wien 1862 - 1918 Wien)

„Studie für "Irrlichter" (recto) sowie Studie für die "Hygieia" (verso) (Studien im Zusammenhang mit dem Gemälde "Irrlichter", 1903 sowie für „Die Medizin", 1901-1907)“
1900/01 bzw. 1899/1900
Schwarze Kreide auf Papier; gerahmt
44,7 x 31 cm
Nachlass-Bestätigung Hermine Klimt rückseitig rechts unten: Nachlaß meines Bruders Gustav / Hermine Klimt

Provenienz

Nachlass des Künstlers (Hermine Klimt, Schwester des Künstlers);
österreichischer Privatbesitz

Dr. Marian Bisanz-Prakken (Albertina, Wien) wird diese Zeichnung in den Ergänzungsband zu dem von Alice Strobl publizierten Werkverzeichnis der Zeichnungen von Gustav Klimt aufnehmen.

Schätzpreis: € 15.000 - 30.000
Ergebnis: € 32.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Von diesem bisher unbekannten, hier erstmals präsentierten Blatt hat Klimt beide Seiten für die Anfertigung von Studien verwendet. Er zeichnete mit schwarzer Kreide auf Packpapier – eine Kombination, die er vor allem im Rahmen der unzähligen Figurenstudien für die Fakultätsbilder zwischen etwa 1897 und 1903/04 bevorzugt hat. Vorder- und Rückseite entstanden allerdings nicht zur gleichen Zeit, sondern hängen mit zwei unterschiedlichen Gemäldeprojekten zusammen und weichen stilistisch beträchtlich voneinander ab.

Die früheste der beiden Studien (hier als Versoseite vorgeführt) zeigt das Brustbild einer Frau mit erhobenen Händen. Dieses Fragment lässt sich einer kleinen Gruppe von Studien zuordnen, mit denen Klimt – Alice Strobl zufolge – um 1899/1900 die allegorische Figur der Hygieia vorbereitet hat (Strobl I, Nr. 558-560), und zwar im Kontext der großen, um 1900 gezeichneten Übertragungsskizze für das Fakultätsbild „Die Medizin“ (1901-1907). Doch während die von Alice Strobl publizierten Studienblätter dem statuarischen Charakter der in der Übertragungsskizze gezeichneten und somit der im Gemälde dargestellten Figur der Hygieia bereits weitgehend entsprechen, nimmt Klimt in der vorliegenden Studie scheinbar mehr auf das natürliche Erscheinungsbild des posierenden Modells Bezug. Behutsam tastet seine feine, schwarze Kreide die Umrisse der molligen, nackten Arme ab, die er stellenweise kräftig akzentuiert. Charakteristisch für die Entstehungszeit der Zeichnung sind die feinen Parallelstriche, mit denen Klimt die Schattenpartien der Haut und die Falten des antiken Gewandes definiert, das unterhalb der Brustpartie von einem nur zart angedeuteten Band zusammengehalten wird. Während sich die Gesichtszüge nur schematisch abzeichnen, liegt der Fokus auf der feierlichen Geste der erhobenen Hände, mit denen die Hygieia im Gemälde ihre Attribute hochhält.

Eine ganz andere Arbeitsphase vertreten die zwei schwebenden nackten Profilgestalten auf der Vorderseite des Blattes, bei denen Klimt praktisch zur Gänze auf die Binnenzeichnung verzichtet und sich nur auf die schwungvoll stilisierenden Umrisslinien konzentriert. Diese Studien hängen eng mit den beiden Zeichnungen eines Studienblattes zusammen, die Alice Strobl als zwei Aktstudien für das Gemälde „Irrlichter“ publiziert hat (Srobl IV, Nr. 3410). Letzteres Werk – eine verspielt-erotische Antwort auf die ernsthafte Lebensthematik der Fakultätsbilder – wurde im Herbst 1903 erstmals auf der Klimt-Kollektive der Secession gezeigt. Klimt hat das Gemälde über mehrere Jahre durch kleine Kompositionsskizzen und mehrere Figurenstudien vorbereitet, in denen sich der Einfluss der symbolistischen Linienkunst des Niederländers Jan Toorop, der im Frühjahr 1900 in der Secession große Erfolge feierte, deutlich bemerkbar macht. In den vorliegenden Studien sind es vor allem die wallenden Haarpartien, die eckigen Gesten und die schlank stilisierten Körper, die an Toorops Hauptwerke „Die drei Bräute“ oder „Die Sphinx“ erinnern. Angesichts der Ähnlichkeit mit den Studien für den „Beethovenfries“, auf die auch Alice Strobl in Bezug auf ihre oben angeführte Nr. 3410 verweist, erscheint es plausibel, die beiden hier gezeigten Aktfiguren um 1900/01 zu datieren.
(Marian Bisanz-Prakken)