Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

27. November 2023, 14:00 Uhr

0106

Gustav Klimt

(Wien 1862 - 1918 Wien)

„Stehender Akt von vorne, die Unterarme erhoben (Studie für den Beitrag zur Widmungsgabe anlässlich Otto Wagners 70. Geburtstags, 1911)“
um 1910
Bleistift auf Papier; gerahmt
56,6 x 37,2 cm
Nachlass-Bestätigung Hermine Klimt rechts unten: Nachlass meines Bruders Gustav / Hermine Klimt

Provenienz

Nachlass des Künstlers (Hermine Klimt, Schwester des Künstlers);
Privatbesitz, Wien

Literatur

Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878-1918, Nachtrag, Bd. IV, Salzburg 1989, Nr. 3629

Schätzpreis: € 25.000 - 50.000
Ergebnis: € 38.400 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Diese Darstellung einer frontal stehenden, weiblichen Aktfigur mit erhobenen Händen wird von Alice Strobl einer Gruppe von Zeichnungen zugeordnet, die Klimt im Kontext einer Otto Wagner überreichten Widmungsadresse geschaffen hat (Strobl II, Nr. 2019-2029). Anlass für dieses Geschenk, an dem mehrere Künstler beteiligt waren, war der 70. Geburtstag des berühmten Architekten am 13.7.1911.
Klimts Widmungsblatt ist uns heute nur durch ein Schwarzweißfoto bekannt (Strobl II, Nr. 2030). Dieses zeigt eine frontal stehende, in ein ornamentales Kleid gehüllte Nikefigur, die zwei Blumengaben hochhält. Zwei Skizzenblätter mit insgesamt acht Entwürfen geben die mit Kränzen oder Blumen ausgestatteten Figürchen teils in gegrätschter Stellung, teils mit geraden Beinen wieder (Strobl II, Nr. 2028, 2029). Zur letzteren Kategorie gehört die hier präsentierte Studie, deren Nähe zur Zeichnung eines gleichfalls mit geraden Beinen posierenden Modells von Alice Strobl hervorgehoben wird (Strobl II, Nr. 2027).
Was die für das Widmungsblatt gezeichneten, frontal posierenden Aktfiguren im Allgemeinen miteinander verbindet, ist der heroische Charakter. Dieser Heroismus verweist nicht zufällig auf die euphorisch gestimmte Gründungszeit der Secession, für die Otto Wagner ein inspirierendes Vorbild war. Auch in der hier präsentierten Zeichnung erinnert die frontale Stellung vor allem an Klimts programmatisches Gemälde „Nuda Veritas“ (1899) wie auch an die etwas früher gemalte Nike-Figur auf der Hand der Pallas Athene im gleichnamigen Gemälde, das im Herbst 1898 erstmals im neu eröffneten Secessionsgebäude ausgestellt wurde. In Klimts modernen Allegorien ist die weibliche Frontalgestalt ein Grundtypus, der nicht nur für idealistische, sondern auch für dekadente oder provozierende Botschaften zum Einsatz kam.
(Marian Bisanz-Prakken)