Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

27. November 2023, 14:00 Uhr

0147

Paul Kirnig*

(Wien 1891 - 1955 ebd.)

„Stadt - Zukunftsvision Donaukanal“
1923
Öl auf Leinwand; gerahmt
100 x 70 cm
Signiert rechts unten: Paul Kirnig

Provenienz

Wienerroither & Kohlbacher, Wien;
dort erworben, seither Privatsammlung, Österreich

Expertise von Mag. Almut Haböck, Wien, 12.12.1997, liegt bei.

Schätzpreis: € 20.000 - 40.000
Ergebnis: € 25.080 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

"Das 100 x 70 cm große Stadtbild [...] gilt als eines der Hauptwerke dieses Künstlers. [...] Es fällt, ebenso wie das Selbstporträt und das zweite Stadtbild in die Umbruchsphase seines künstlerischen Schaffens, als er sich vom Wiener Kinetismus abwandte und zu einer gegenständlichen, neusachlichen Malweise überging.

Das Bild der Stadt beleuchtet Kirnigs utopische Vorstellung von der Veränderung des städtischen Lebensraumes des Menschen in eindringlicher Weise: Von einem erhöhten Standpunkt aus wird die Sicht auf eine Stadt freigegeben, in der sich Wolkenkratzer an Wolkenkratzer reiht. Durch die rhythmische Staffelung der Häuserreihen entlang einer Perspektivlinie, die durch den Kanal auf der rechten und dem Straßenzug auf der linken Seite bestimmt wird, erreicht die Darstellung einen starken räumlichen Tiefenzug, der sich durch die Übereinanderschichtung der Hochhäuser entlang der Horizontlinie ins Unendliche auszuweiten scheint. Durch die kompositionelle Aufteilung des Bildraumes, der sich durch die schräg angelegte Perspektive ergibt - wobei die vordere Häuserfront leicht aus der Bildmitte nach rechts verschoben wird - entsteht eine starke innerbildliche Dynamik. Diese wird durch eine gezielt eingesetzte theatralische Lichtregie verstärkt, indem die vordere Häuserfront spotartig beleuchtet wird, was zur Bildung von starken Schlagschatten innerhalb des Bildraumes führt. Gleichzeitig schafft Kirnig durch einen subtilen Einsatz der Farbwerte, ausgehend vom intensiven Orange des beleuchteten Objektes im Vordergrund des Bildraumes in fließendem Übergang entlang der Perspektivlinie zu dessen farblicher Komplementärentsprechung eines Blau-Grün-Tones, dem Bild eine der Realität entrückte, ins Unheimliche gleitende, visionäre Stimmung zu verleihen. Gesteigert wird diese Atmosphäre durch die Darstellung arbeitender Menschen und Autos auf der Straße und der Boote am Kanal, die im Vergleich zum Häusermeer ameisenklein erscheinen. Die Architektur der Stadt als Lebensraum des Menschen erreicht ungeahnte Dimensionen, in denen sich der Mensch in seiner Existenz anonym und unbedeutend bewegt. [...]

In Betrachtung des Gesamtoeuvres der österreichischen Malerei der 20er Jahre, die zum Großteil von der neusachlichen Bewegung bestimmt sind, läßt sich sagen, daß Kirnig mit diesem Bild, das 1923 entstanden ist, zu einem sehr frühen Vertreter dieser Bewegung gezählt werden kann."
(Auszug aus der Expertise von Mag. Almut Haböck)