Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

22. Juni 2023, 14:00 Uhr

4018

Rudolf Jettmar

(Zawodzie 1869 - 1939 Wien)

„Badende“
1909
Öl auf Leinwand; gerahmt
100,5 x 146 cm
Signiert und datiert links unten: Rud Jettmar 1909

Provenienz

österreichischer Privatbesitz

Literatur

Hans Hofstätter, Rudolf Jettmar. Monographie von Hans H. Hofstätter, mit einem Werkverzeichnis von Otto Jettmar, Wien 1984, S. 161, Nr. Ö 62 (ohne Abb. mit Datierung 1908); vergleiche auch Tafel 18, Nr. AE 70b, S. 74 (Entwurf zum Gemälde)

Schätzpreis: € 15.000 - 30.000
Meistbot: € 15.000
Auktion ist beendet.

Rudolf Jettmar gehört zu jenen österreichischen Künstlern der Jahrhundertwende, die es neu zu entdecken gilt. Er zählt zur Generation von Edvard Munch, Franz von Stuck, Henry van der Velde und Henri de Toulouse-Lautrec. Sein Schaffen fällt also in eine Zeit, in der die Malerei im Impressionismus, Symbolismus und Expressionismus neuartige Wege beschreitet. Als Mitglied der Wiener Secession, Heimstatt der damaligen Avantgarde der österreichischen Kunstszene, bewegt sich Jettmar im Epizentrum des Jugendstils. Große Erfolge feiert er auch mit seinen Illustrationen – Holzschnitte, Zeichnungen und Radierungen, Techniken, die er mit großer Kunstfertigkeit auszuüben versteht – für das von 1898 bis 1903 von der Secession herausgegebene VER SACRUM. Stilistisch lässt sich der Künstler am ehesten dem Spät-Symbolismus zurechnen. Parallelen finden sich zum Klassizismus eines Jean-Auguste-Dominique Ingres, dessen Frauendarstellungen mit ihrem glatten, kristallinen Inkarnat ihn beeinflussen, und eines Anselm Feuerbach sowie zu den berühmtesten Vertretern des Symbolismus, Max Klinger und Arnold Böcklin.

Die „Badenden“ sind 1909, ein Jahr vor Rudolf Jettmars Berufung als Professor an die Akademie der bildenden Künste in Wien, entstanden. Als Ausgangspunkt der Komposition dienen mythologische und biblische Thematiken wie „Faun und Nymphe“ oder „Susanna im Bade“. Die Frauenfiguren, die er diesem reichen Figurenkanon entnimmt, setzt er mitten in eine stimmungsgeladene Natur. Dabei spielt die Anordnung eine große Rolle, in der die Musikalität des Künstlers und sein Gefühl für Rhythmus zum Tragen kommen. So lagert er die Beine und den hochgestreckten rechten Arm der liegenden Frau parallel zueinander und auch parallel zum Brückengeländer im Hintergrund, während die Stehende links Analogien in den Baumstämmen am Weiher findet. Die Liegende betört uns mit ihren Reizen, hingestreckt auf einem roten Tuch, von dem sich ihr heller Körper plastisch abhebt. Während diese, trotzdem sie so nahe an den vorderen Bildrand gerückt ist, keine Beziehung zum Betrachter oder zu ihrer Begleiterin aufbaut, zieht das stehende Mädchen durch intensiven Blickkontakt in das Bildgeschehen hinein. Beide Figuren wirken in die vorderste Bildebene gesetzt wie Schauspielerinnen auf einer gleichmäßig ausgeleuchteten Bühne, die mystische Naturlandschaft dahinter wie eine Kulisse. Das Bild ist ein schönes Beispiel für Rudolf Jettmars Malerei, die einen „unbenennbar bleibenden Gemüts- und Seelenzustand außerhalb der Wirklichkeit“ (Hans H. Hofstaetter, Rudolf Jettmar, Wien 1984, S. 12) abbildet.
(Sophie Cieslar)