Auktionshaus

Auktion: Alte Meister

20. Juni 2023, 14:00 Uhr

2036

Francesco Bonsignori

(Verona um 1455 - 1519 Caldiero)

„Kinderporträt des Federico II. Gonzaga (1500-1540)“
1503
Öl auf Holz; gerahmt
24,8 x 20 cm
Rückseitig Zollsiegel des Territoriums des Granduca della Toscana
Sammlungsinventarnummer mit Krone: no 14 (womöglich der herzoglichen Sammlung der Gonzaga)

Provenienz

Mantova, Isabella d'Este (1474-1539), bis 5. November 1503;
ab 25. November 1503 in Rom dokumentiert: Gian Francesco II Gonzaga (1466-1519) oder Papst Julius II. (1453-1513);
Privatbesitz, Deutschland

Prof. Dr. Gaudenz Freuler hat das Gemälde identifiziert und ausführlich kunsthistorisch analysiert (Bericht, Zürich, 2022, liegt bei).

Schätzpreis: € 150.000 - 300.000
Ergebnis: € 179.200 (inkl. Gebühren)*
unter Vorbehalt, Limit: € 150.000
Auktion ist beendet.

Das Gemälde mit der Büste eines in edler Uniform und Barett gekleideten Knaben gehört zu den frühesten Zeugnissen der damals noch eher seltenen Kinderporträts in der italienischen Renaissancemalerei. Prof. Gaudenz Freuler, Zürich, konnte den Dargestellten anhand einer vorbereitenden Zeichnung und historischer Dokumente als den dreijährigen Federico II. Gonzaga, Sohn der Isabella d’Este und Erbprinz des Markgrafen von Mantua, Gian Francesco II. Gonzaga (1466-1519), identifizieren.
Das bislang noch unveröffentlichte und erst jüngst wiederentdeckte Kinderporträt ist die in Öl ausgefertigte Umsetzung einer ehemals in Schweizer Privatbesitz befindlichen Zeichnung Francesco Bonsignoris (vgl. Gaudenz Freuler „El pù bel ritracto facesse mai Magistro Francesco”, in: Pantheon, LIV, 1996, S. 50-58). Der aus Verona stammende Künstler stand als Hofmaler in den Diensten der Gonzaga-Familie in Mantua und wurde dort direkt vom Schaffen Andrea Mantegnas (1431-1506) inspiriert – ihm selbst wurden in der Vergangenheit gar einige von Bonsignori ausgeführte Zeichnungen zugeschrieben.

Vorliegendes Gemälde konnte mittlerweile nicht nur malerisch und stilkritisch identifiziert werden, sondern seine Entstehungsgeschichte ist zudem durch einen Briefwechsel zwischen Isabella d‘ Este und ihrem zur fraglichen Zeit in Rom am Hof des eben erst zum Papst gewählten Julius II. weilenden Gemahls dokumentiert (ediert in: Clifford M. Brown, „Francesco Bonsignori: Painter to the Gonzaga court – New documents“, in: Accademia Virgiliana Mantova, Atti e e Mermorie, n.s., XLVII, 1979, S. 81-96).
In einem dieser Briefe bezeichnet Isabelle d’Este Bonsignoris Porträtzeichnung ihres Söhnchens als die schönste Zeichnung, die sie von dem Künstler je gesehen hätte: „…el più bel ritractro facesse mai Magistro Francesco (sc. Bonsignori)….“ (Abb.2). Dies ist ein Urteil, das aus dem Munde Isabelle d’Estes über ihren Mutterstolz hinaus bedeutend ist, denn sie galt im Kreis der für sie arbeitenden Künstlerelite als äußerst kritische und fordernde Kunstmäzenin.
Aus derselben Korrespondenz im Herbst des Jahres 1503 geht weiter hervor, dass Bonsignori seine Kohlezeichnung in sehr kurzer Zeit ins Bild umzusetzen hatte – und zwar in doppelter Ausführung. Eines der beiden kleinen Porträtbilder von Federico II. ging an den in Rom weilenden Vater, während das andere als Geschenk für den eben erst seit einigen Tagen zum Papst gewählten Julius II. vorgesehen war. Gian Francesco Gonzaga beabsichtigte mit diesem Bildnis wohl dem neuen mächtigen Kirchenfürsten seinen Stammhalter und damit auch die Kontinuität der Familie Gonzaga zu präsentieren. Auch die für ein Kleinkind eher befremdliche „offizielle“ Kostümierung in einer Kinderuniform mit Barett lässt sich damit erklären. Denn im Briefwechsel der Eltern wird ausdrücklich auf die päpstliche „Schweizer Garde“ verwiesen, wenn von „unserem kleinen Schweizerchen (il svizaretto nostro)“ die Rede ist (vgl. Freuler 1996, opt. cit. S. 53-54). Eine ähnliche Darstellung ist auf einer Münze, wohl ebenfalls Federico II. zeigend, im Musées royaux des Beaux Arts, Brüssel (Inv. Nr. 264), zu finden (Abb. 1).

Im direkten Vergleich zur Zeichnung (38,5 x 28,5 cm) scheint im kleineren und damit als Erinnerungsbild transportfähigeren Tafelgemälde das kindliche Wesen des Porträtierten etwas zurückgenommen zugunsten einer leicht aufgesetzten Zurschaustellung des repräsentativen Selbstbewusstseins. Der Status des zukünftigen Erbprinzen und Markgrafen sollte unterstrichen werden. Wie die historische Quelle des Briefwechsels belegt, musste die Ausführung beider Ölgemälde nach der Zeichnung auch sehr schnell erfolgen: wohl am 16. Oktober 1503 begonnen, verließen die Tafelbilder bereits am 5. November 1503 die Stadt Mantua Richtung Rom, wo sie auch spätestens am 25. November 1503 beim Empfänger angelangten.

„Die hohe Bedeutung des hier in Frage stehenden Kinderporträts des dreijährigen Federico II. Gonzaga liegt nicht allein im Kunsthistorischen, nämlich als eines der frühesten Kinderporträts überhaupt und als eines der besten Porträts der eben gerade auf diese Sparte spezialisierten Hofmalers der Gonzaga, Francesco Bonsignori, sondern ganz speziell auch in seiner historischen und kulturgeschichtlichen Bedeutung, als das früheste auf uns gekommene Porträt des späteren Erbauers des Palazzo del Te, der später als Erwachsener selbst von Tizian (Madrid, Prado) porträtiert wurde.
Durch seine reichhaltige Dokumentierung über den Briefwechsel zwischen Isabella d’Este, einer der berühmtesten und schillerndsten Renaissance Mäzenen, und ihrem Gatten Gian Francesco Gonzaga, gilt dieses Porträt als eines der am besten dokumentierten Porträts der Renaissance, dessen künstlerische Genesis über Archivalien und die vorbereitende Zeichnung in all ihren Facetten und lückenlos erschlossen ist.
Offen bleibt bloss die Frage, ob vorliegendes Bild jene Variante ist, die an den Vater des Porträtierten, Gian Francesco Gonzaga, ging, oder ob es mit jenem Porträt identisch ist, das Papst Julius II. geschenkt wurde. ...“ (vgl. Bericht Prof. Dr. Gaudenz Freuler)