Auktionshaus

Auktion: Alte Meister

20. Juni 2023, 14:00 Uhr

2062

Pieter Brueghel der Jüngere

(Brüssel um 1564 - 1638 Brüssel )

„"Das Paar mit Spindel und Henne"“
nach 1616
Öl auf Holz, parkettiert; gerahmt
21 x 21 cm (Tondo)

Provenienz

Privatbesitz, Wien

Gutachten von Dr. Klaus Ertz, Lingen, 2. Mai 2018, liegt bei.

Schätzpreis: € 80.000 - 150.000
Ergebnis: € 153.600 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die vorliegende Komposition kann in eine Gruppe runder Holztäfelchen eingereiht werden, in welchen Pieter Brueghel der Jüngere verschiedene Interaktionen zwischen Mann und Frau als Paar – häufig mit einem erotischen Hintersinn – wiedergibt. Das Gemälde steht einer weiteren eigenhändigen Rundtafel sehr nahe, welche von Dr. Klaus Ertz bereits in seinem Werkkatalog neben anderen Versionen des Themas ausführlich beschrieben wurde (vgl. Klaus Ertz (Hg.), Pieter Brueghel der Jüngere (1564-1637/38). Die Gemälde mit kritischem Oeuvrekatalog, Band I, Lingen 2000, S. 179-181).
Die tiefere Bedeutungsebene wird zunächst durch die vom Mann in den Armen getragene Henne erkennbar: Der „Hennentaster“ oder „Hennengreifer“ ist redensartlich ein Schürzenjäger - ein Motiv, welches in der flämisch-niederländischen Redensart-Malerei des Öfteren dargestellt wurde, und in anderer Form etwa in der großen Sprichwörter-Sammlung Pieter Brueghels des Älteren (Gemäldegalerie Berlin, Inv.-Nr. 1720) Verwendung findet.
Die Darstellung der neben ihm sitzenden Frau mit Spinnwerkzeug verbindet Dr. Klaus Ertz in der Tradition vorangegangener Werke mit der Symbolik von Tugend und Häuslichkeit: „Dem „Hennengreifer“ stellt der Maler das häusliche Ideal in Gestalt der Frau mit dem Spinnrocken und der Spindel gegenüber. Schon der Stich Pieters d.Ä. mit der Darstellung der „Klugen und Törichten Jungfrauen“ stellt die häusliche Arbeit des Spinnens als tugendsame Beschäftigung dem vom Dudelsack angeführten Tanz, Sinnbild der Torheit und Sündhaftigkeit gegenüber.“ (vgl. Klaus Ertz 2000, S. 180).
In eine dörfliche Landschaft eingebettet offenbart sich die Szene zwischen dem sich anblickenden Paar wie ein unausgesprochener Dialog: Mahnend erhebt die Frau den Spinnrocken dem fast schuldbewusst geduckten Ehemann zum Tadel, welcher das die Untreue symbolisierende Federvieh vor sich in den Armen hält. Die Spindel, die sie in ihrer linken Hand in auffälliger Nähe zum deutlich betonten männlichen Geschlecht des Gatten hält, lässt sich so auch als nachdrücklicher Appell an dessen körperliche Treue verstehen. Damit offenbart diese kleine, auf den ersten Blick harmlos-idyllisch anmutende Szene ihre erstaunlich reichhaltige Symbolik, mit der sie sich in die bedeutende Darstellungstradition der Sprichwörter einbindet.